Die fetten Jahre
betrugen auf dem Papier zwar immer nur ein Prozent seines Bruttoinlandsproduktes – aber das war gewaltig. Zudem machten die Japaner es wie die Chinesen und versteckten einen Großteil der Kosten in Sonderausgaben anderer Ressorts. Die Marineausgaben von Japans Selbstverteidigungsstreitkräften, seine Weltraumpläne und die Waffenentwicklung fanden sich allesamt nicht im Verteidigungshaushalt wieder. Deshalb waren die tatsächlichen jährlichen Verteidigungsausgaben Japans wesentlich höher als die Englands, Russlands oder Frankreichs, die man üblicherweise auf den vorderen Plätzen fand.
Dieses Bündnis war für China eine große Beruhigung, denn eine ebenbürtige konventionelle Militärmacht in der direkten Nachbarschaft, die nicht freundlich gesinnt ist, ist eine dauerhafte Bedrohung. Ganz zu schweigen von den US-Truppen, die noch in Japan, Okinawa und Südkorea stationiert waren. Japan hingegen hätte sich angesichts des rasanten Aufstiegs Chinas ebenso bedroht gefühlt und seine pazifistische Verfassung abgeschafft. Die Folge wäre ein Wettrüsten mit China gewesen, ein erneutes Kräftemessen der beiden asiatischen Riesen, an dessen Ende es keinen Sieger geben konnte.
Um diese tickende Zeitbombe zu entschärfen, beide Seiten zu Gewinnern zu machen und die Amerikaner zum Rückzug zu bewegen, bedurfte es großer Weisheit – oder einer Gelegenheit, wie sie sich nur alle hundert Jahre einmal bietet.
Japans Wirtschaft steckte, wenn man so will, seit mittlerweile über zwanzig Jahren in einer Depression. Jedes Mal, wenn es gerade so aussah, als hätte sie sich wieder berappelt, folgte umgehend der nächste Absturz. Langsam schien es, als ginge Nippon allmählich die Puste aus. Die jüngste weltweite Rezession hatte die wirtschaftliche Erholung in noch weitere Ferne gerückt. Für Japans Industrieproduktion, die einmal voller Hochmut auf den Rest der Welt geblickt hatte, bestand kurzfristig kaum noch Hoffnung auf einen Ausweg. Dieser Moment der allergrößten Schwäche bot eine Chance, die sich die chinesische Führung nicht entgehen ließ. Sie forderte Japan auf, seinen seit jeher abgeschotteten und protektionierten Binnenmarkt auf einen Schlag für China zu öffnen; insbesondere sollte es chinesischen Kapitalgebern ermöglicht werden, japanische Unternehmen zu kaufen oder in sie zu investieren, andernfalls würde man Japans Industrieprodukte und Unternehmen in China mit äquivalenten Restriktionen belegen. Es wäre der Todesstoß für das bereits am Boden liegende Land. China war bereits Japans wichtigster bilateraler Handelspartner; dass es mit seiner Wirtschaft zwischen 2002 und 2008 wieder leicht bergauf gegangen war, hatte es alleine dem chinesischen Markt zu verdanken.
Schließlich unterzeichneten die beiden Regierungen mit großem Trara ein bilaterales Meistbegünstigungsabkommen, offiziell zur Förderung des Freihandels. Beide gewährten einander uneingeschränkten Marktzugang, ähnlich dem engen Wirtschaftspakt zwischen der Volksrepublik und Hongkong. Noch nie in seiner Geschichte hatte Japan einem anderen Land seine Tore so weit geöffnet. Die Integration der beiden Märkte ging rasend schnell voran und konnte bald dem amerikanisch-europäischen Wirtschaftsraum Konkurrenz machen.
Nachdem China und Japan sich die Hände gereicht hatten, bekundeten Südkorea und die ASEAN-Staaten ihre Bereitschaft, einen gemeinsamen ostasiatischen Markt zu schaffen, dem selbst Australien, Neuseeland, die zwei großen Westprovinzen Kanadas und die lateinamerikanischen APEC-Mitglieder gerne beigetreten wären, um eine ostasiatisch-pazifische Gemeinschaft zu formen.
Abgesehen von der Ausweitung der Reisefreiheit beschlossen China und Japan einen in dieser Form bislang nicht einmal denkbaren Migrationsplan, der es japanischen Fachkräften und Anlegern erlaubte, nach China umzusiedeln, während es Chinesen erleichtert wurde, sich in Japan niederzulassen. Um dem alternden Japan entgegenzukommen, gab es für die chinesischen Umsiedler eine Altersgrenze von fünfundvierzig Jahren, die für die Japaner nicht galt. Schätzungsweise würden in Zukunft jährlich etwa fünfzigtausend Chinesen im Rahmen dieses Planes nach Japan auswandern – eine Zahl ähnlich hoch wie die derer, die jährlich nach Kanada gingen. Die Beweggründe der Auswanderer waren vielfältig: Manche gingen aus beruflichen Gründen, manche um einen japanischen Pass zu bekommen, mit dem es sich bequemer reisen ließ, wieder anderen gefiel die Lebensqualität in
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