Die fetten Jahre
wirtschaftlich agieren. Zudem blieb jedem die Möglichkeit überlassen, neue Märkte in Afrika, Asien und Lateinamerika zu erschließen und dort zu investieren, teils in Kooperation, teils in fairem Wettbewerb. In Angola beispielsweise hatten chinesische, französische und amerikanische Unternehmen Lizenzen für Off-Shore-Ölbohrungen bekommen.
Der zweite Irakkrieg hatte China dazu bewegt, verstärkt in Afrika zu investieren, Angola war inzwischen Chinas größter Einzellieferant von Erdöl. Es bezog außerdem fossile Energie aus zahlreichen anderen afrikanischen Ländern. Dreißig Prozent von Chinas Erdölimporten stammten aus Afrika, womit es nur noch vom Nahen Osten übertroffen wurde. Abgesehen von Energie versorgte man sich dort auch mit Holz und Bodenschätzen und pflanzte für den chinesischen Bedarf großflächig Agrarerzeugnisse an, baute Straßen, Krankenhäuser, Häfen, Flugplätze und Kommunikationsnetze. Von Simbabwe bis Somalia – in fast allen afrikanischen Staaten war China mit Investitionen vertreten. China legte Wert auf einen freundschaftlichen Umgang mit seinen Handelspartnern und mischte sich zudem nicht in deren innere Angelegenheiten; eine Haltung, die die afrikanischen Staatschefs sehr begrüßten. Nicht ohne Grund war China auf dem besten Weg, die USA, Frankreich und England als wichtigste Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent zu überholen.
China unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu den islamischen Staaten in Südostasien und im Nahen Osten; vor allem dem langjährigen Freund Pakistan schenkte China viel Aufmerksamkeit und gutes Geld. Freilich nicht ohne Hintergedanken: Zum einen hielt China so das den USA nahe stehende Indien in Schach, zum anderen führte der kürzeste Weg, Erdöl und Bodenschätze aus Afrika und dem Nahen Osten nach China zu bringen, über Pakistan. So war man beim Import strategischer Güter nicht mehr ausschließlich auf den mitunter komplikationsreichen Ferntransport über See angewiesen.
China nahm sich außerdem aller Energierohstoffe an, die den anderen Großmächten durch die Finger glitten. Als 2008 der Ölpreis von 147 auf 33 Dollar pro Barrel abstürzte, legte China großzügig drauf und holte sich das Öl aus Venezuela und dem Iran. Als Russland 2009 plötzlich Vertragsbruch beging und die Einfuhr von Erdgas aus Turkmenistan stoppte, reichte China seine helfende Hand, schloss mit den Turkmenen einen dreißigjährigen Liefervertrag und legte eine mehr als achtzehntausend Kilometer lange Pipeline, um das Gas quer durch Usbekistan, Kirgisistan und Kasachstan nach China zu leiten. Vom kasachischen Erdöl ganz zu schweigen: China war dort nicht nur an der Förderung beteiligt; die dreitausend Kilometer lange Pipeline, die Kasachstan mit China verband, war die erste grenzüberschreitende Energiepipeline Chinas gewesen. Abgesehen von Russland und dem Iran hatten die Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres alle das geographisch bedingte Problem, dass jeder Exportweg für ihre Energie über das Territorium eines Nachbarstaates führte. Daher unterstützten sie China beim Bau einer Paneuropäisch-asiatischen Energiebrücke, eines Pipelinenetzes, das den Nahen Osten, den Iran, Russland, Aserbaidschan und Kasachstan mit dem chinesischen Xinjiang verbinden sollte.
Aus seinem eigenen nationalen Interesse heraus bemühte sich China jetzt auch darum, die regionale Stabilität in Afrika, dem Nahen Osten, dem Iran und Pakistan zu fördern, um einer zu starken Kontrolle dieser Gebiete durch andere Großmächte entgegenzuwirken und zu verhindern, dass religiöse Extremisten, Separatisten oder Terroristen die dortigen Regierungen zu Fall brachten. Um die Unabhängigkeitsbewegung in Xinjiang zu isolieren, pflegte China seine Beziehungen mit den sechs zentralasiatischen -stans – Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan – sowie mit der Türkei, die noch immer keinen Einlass in die EU gefunden und der man stattdessen eine Mitgliedschaft in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit angeboten hatte. Auch der Iran trat der SOZ bei. Selbst Israel versuchte, sich gut mit China zu stellen, und versorgte es jetzt bereitwillig mit seiner Spitzentechnologie, aus Angst, China könne fortschrittliche Waffensysteme oder gar Atomwaffen an islamische Staaten weitergeben.
Für die »Große Sache« bemühte China sich auch um Russlands Freundschaft. Dafür nahm es die Schmach in Kauf, dass die Russen seit mehr als einem Jahrhundert
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