Die Feuer des Himmels
zu hören als diesen Schmus über Rosen. Thom strich sich über den langen weißen Schnurrbart, als amüsiere er sich über irgend etwas.
»Das Kleid«, sagte Luca und zeigte seine Zähne in einem breiten Lächeln. »Ihr werdet darin wunderbar aussehen und... «
»Nein!« fauchte sie. Was er bei ihr auch gewonnen hatte, soeben hatte er es durch diese Erwähnung wieder verloren. Clarine hatte das Kleid genäht, in dem Luca sie sehen wollte, aus einer Seide, die noch roter leuchtete als sein Umhang. Ihrer Meinung nach sollte die Farbe dazu dienen, daß man ihr Blut nicht bemerkte, wenn Thom mit seinen Messern etwas ausrutschte.
»Aber Nana, Schönheit in Gefahr zieht ganz gewaltig!« Lucas Stimme klang, als flüstere er ihr zärtliche Dinge ins Ohr. »Ihr werdet alle Blicke auf Euch ziehen, jedes Herz wird Eurer Schönheit und Eures Mutes wegen klopfen.«
»Wenn es Euch so gut gefällt«, sagte sie energisch, »dann tragt Ihr es doch.« Von der Farbe abgesehen, würde sie auch niemals soviel Busen in der Öffentlichkeit zur Schau stellen, ob Clarine das für angebracht hielt oder nicht. Sie hatte Latelles Bühnenkleid gesehen, ganz mit schwarzen Pailetten besetzt und hochgeschlossen bis zum Kinn. So etwas könnte sie tragen... Was dachte sie denn da? Sie hatte nicht die Absicht, tatsächlich aufzutreten. Sie hatte sich nur mit dieser Probe einverstanden erklärt, um Luca davon abzuhalten, daß er jeden Abend an der Wagentür kratzte, sie herausholte und versuchte, sie zum Auftreten zu überreden.
Der Mann wußte zumindest genau, wann es gesünder für ihn war, das Thema zu wechseln. »Was ist denn damit geschehen?« fragte er und war plötzlich ganz besorgt und fürsorglich.
Sie zuckte zurück, als er ihr geschwollenes Auge mit dem Finger berührte. Er hatte Pech, daß er ausgerechnet dieses Thema anschnitt. Da hätte er noch besser daran getan, weiterhin zu versuchen, sie in dieses rote Kleid hineinzureden. »Es hat mir nicht gepaßt, wie es mich heute morgen aus dem Spiegel anblickte, also habe ich es gebissen.«
Ihr sarkastischer Tonfall und die gefletschten Zähne ließen Lucas Hand zurückzucken. In seinen dunklen Augen glimmte Mißtrauen auf, als fürchte er, sie werde wieder zubeißen. Thom fuhr sich heftig durch den Schnurrbart, und sein Gesicht war stark gerötet von der Anstrengung, sich das Lachen zu verbeißen. Ihm war natürlich klar, was geschehen war. Er wußte über alles Bescheid. Und sobald sie weg war, würde er Luca zweifellos seine Version der Geschehnisse brühwarm auftischen. Die Männer konnten das Tratschen nicht lassen, das hatten sie von Geburt an in sich, und die Frauen konnten nichts dagegen tun, und wenn sie sich noch so anstrengten.
Es war bereits dunkler, als sie angenommen hatte. Die Sonne thronte rot über den Baumwipfeln im Westen. »Wenn Ihr das jemals wieder tut, ohne helleres Tageslicht...«, grollte sie und zeigte Thom die Faust. »Die Abenddämmerung ist schon beinahe angebrochen.«
»Ich vermute«, sagte dieser angesprochene Mann daraufhin auch noch, »das bedeutet, Ihr möchtet auf den Teil verzichten, in dem man mir auch die Augen verbindet?« Er machte natürlich einen Witz. Das mußte ein Witz sein. »Wie Ihr wünscht, Nana. Von nun an nur noch bei sehr guten Lichtverhältnissen.«
Erst als sie mit ärgerlichem Schwung im Rock davonstolzierte, wurde ihr klar, daß sie soeben zugestimmt hatte, so etwas Verrücktes tatsächlich zu tun. Jedenfalls war sie indirekt einverstanden gewesen und hatte nicht widersprochen. Natürlich würden sie jetzt darauf bestehen, so sicher, wie die Sonne heute abend unterging. Närrisches, idiotisches, dummes Weib!
Die Lichtung, auf der sie - oder jedenfalls Thom, verdammt sollte er sein, und Luca - geübt hatten, befand sich in einiger Entfernung vom Lager, das sie neben der Nordstraße aufgeschlagen hatten. Zweifellos hatte Luca die Tiere nicht beunruhigen wollen, falls Thom ihr aus Versehen ein Messer ins Herz warf. Wahrscheinlich hätte der Mann ihre Leiche dann an die Löwen verfüttert. Der einzige Grund, aus dem er sie unbedingt in diesem Kleid sehen wollte, war, daß er das anstarren konnte, was sie keinen Mann außer Lan sehen lassen wollte. Und verdammt sei auch Lan, dieser sture Narr von einem Mann! Sie hätte ihn nur zu gern vor sich gehabt, um sicher zu sein, daß ihm nichts passierte. Sie riß ein langes, abgestorbenes, fedrigbraunes Fenchelblatt ab und benützte es, um wütend den Unkräutern, die sich durch die
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