Die Feuer des Himmels
ein guter Beginn, während sie herausfand, wo genau die Fäden der Macht in Andor verliefen. Die paar Worte, die sie vor einigen Jahren mit Morgase gewechselt hatte, taugten nicht viel als Einführung, aber sie hatte das, was eine mächtige Königin wollte und brauchte: Informationen.
Schließlich ließ Tallanvor sie vor sich in ein großes Empfangszimmer treten. Die hochgewölbte Decke war mit Vogel-, Wolken- und Himmelsmotiven bemalt. Kunstvoll geschnitzte und vergoldete Stühle standen vor einem glänzend weißen Marmorkamin. Ein Teil von Alteimas Verstand registrierte amüsiert, daß der breite rotweiße Teppich aus Tear stammte. Der junge Mann fiel auf ein Knie nieder. »Meine Königin«, sagte er mit plötzlich rauher Stimme, »wie Ihr befohlen habt, bringe ich Euch die Hochlady Alteima aus Tear.«
Morgase schickte ihn mit einem Wink fort. »Ihr seid willkommen, Alteima. Es ist schön, Euch wiederzusehen. Nehmt Platz und wir können plaudern.«
Alteima brachte einen Knicks zustande und murmelte ihren Dank, bevor sie auf einem der Stühle Platz nahm. Der Neid stieg in ihr auf. Sie hatte Morgase als schöne Frau in Erinnerung, doch die goldhaarige Wirklichkeit zeigte ihr, wie blaß diese Erinnerung war. Morgase war eine Rose in voller Blüte, in der Lage, jede andere Blume in den Schatten zu stellen. Alteima hatte Verständnis für den jungen Soldaten, als er auf dem Weg zur Tür gestolpert war. Davon abgesehen war sie froh, daß er sich nicht mehr hier befand und sie beide zusammen sehen und vergleichen konnte.
Aber es hatte sich auch einiges verändert. Eine Menge sogar. Morgase, von der Gnade des Lichts Königin von Andor, Verteidigerin des Reichs, Beschützerin des Volks, Hochsitz des Hauses Trakand, so reserviert und würdevoll und schicklich, trug eine Robe aus schimmernder weißer Seide, die genug Busen zeigte, um jede Serviererin im Mauleviertel zu schockieren. An Hüfte und Schenkeln lag sie so eng an, daß sie auch einem Flittchen aus Tarabon angestanden hätte. Die Gerüchte entsprachen eindeutig der Wahrheit. Und daß sie sich so stark verändert hatte, zeigte auch ganz klar eines: Sie wollte diesem Gaebril gefallen und nicht etwa ihn dazu bringen, ihr zu gefallen. Von Morgase ging noch immer dieses Gefühl von Macht aus, und ihre Präsenz schien den Raum auszufüllen, aber das Kleid verwandelte beides in etwas Niederes.
Alteima war nun doppelt froh, daß sie ein hochgeschlossenes Kleid angezogen hatte. Eine Frau, die sich derart unter dem Einfluß eines Mannes befand, konnte bei der geringsten Provokation vor blinder Eifersucht zuschlagen. Manchmal auch ohne jede Provokation. Falls sie Gaebril kennenlernte, würde sie ihm mit soviel Gleichgültigkeit gegenübertreten, wie es die Höflichkeit gerade noch zuließ. Selbst der geringste Verdacht, selbst der bloße Gedanke, daß sie Morgases Liebhaber wegnehmen wolle, könnte ihr einen Strick um den Hals einbringen anstatt eines alten Tattergreises als Ehemann. Sie hätte es selbst nicht anders gemacht.
Eine Frau in Rot und Weiß brachte Wein, einen ausgezeichneten Murandiner, und goß ihn in Kristallbecher, in die der sich aufbäumende Löwe von Andor eingraviert war. Als Morgase einen Becher in die Hand nahm, bemerkte Alteima ihren Ring in der Form einer goldenen Schlange, die ihren eigenen Schwanz verschlang. Der Große Schlangenring wurde von einigen Frauen getragen, die in der Weißen Burg ausgebildet worden waren, so wie Morgase, auch ohne den Rang einer Aes Sedai, und dann sowieso von allen Aes Sedai. Tausend Jahre alt war die Tradition, die spätere Königin von Andor in der Burg ausbilden zu lassen. Aber überall gingen nun die Gerüchte über den Bruch zwischen Morgase und Tar Valon um. Die Anti-Aes-Sedai-Ausbrüche auf den Straßen hätte Morgase leicht unterdrücken können, wenn sie es wünschte. Warum trug sie den Ring immer noch? Alteima würde sich sehr gut überlegen, was sie sagte, bis sie die Antwort kannte.
Die livrierte Dienerin zog sich an das gegenüberliegende Ende des Raums zurück, außer Hörweite, doch nahe genug, um zu sehen, wann sie die Becher nachfüllen mußte.
Morgase nippte an ihrem und sagte: »Es ist lange her, daß wir uns kennenlernten. Geht es Eurem Mann gut? Ist er auch hier in Caemlyn?«
Schnell änderte Alteima ihre Pläne. Ihr war nicht klargewesen, daß Morgase von ihrem Ehemann wußte, aber sie war ja immer geistig beweglich gewesen. »Tedosian ging es gut, als ich ihn zuletzt sah.« Das Licht gebe,
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