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Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition)

Titel: Die Feuer von Murano: Ein Venedig-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuseppe Furno
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Männer, grau wie alles ringsum, über eine Hand gebeugt, die aussah wie die Hand einer Statue aus grauem Marmor, aber es war eine menschliche Hand, sauber vom Puls getrennt. Sie war auf den Stufen einer Votivkapelle gelandet, und die beiden musterten sie konzentriert wie Naturwissenschaftler, die eine neue Tierart beobachten. Der eine mit nacktem Oberkörper über den Kniebundhosen versuchte sie mit einem Stock anzuheben, aber die Hand fiel in die Asche zurück und wurde paniert wie ein Stück Aal in Mehl.
    Je näher Andrea dem Ort der Explosion kam, desto deutlicher hörte er die Stimme der Flammen: ein Ruf aus Prasseln, Zischen und Knallen wie von feuchtem Holz voller Salpeter, das ins Feuer geworfen wird. Die Flammen loderten so mächtig auf, als wollten sie die Himmelskuppel verbrennen, die mitden dichten Rauchwolken eher das Aussehen einer Höhle hatte. So hoch waren die Flammen, dass man ein Gesicht aus mehr als zwanzig Schritt Entfernung hätte erkennen können, wenn die Asche nicht gewesen wäre, die alle Gesichter wie Masken aus Tonerde bedeckte. Solchen Masken war Andrea auf seinem Weg zu Hunderten begegnet, Masken von Verletzten und von Helfern, denen sich die Verzweiflung der darunterliegenden Gesichtszüge eingeprägt hatte. Augen, Lippen, Zähne und Zunge hoben sich mit leuchtenden Farben von der Asche ab wie in Blei eingefasste Smaragde, Rubine und Diamanten.
    Die Verletzten und jene, die die Explosion aus nächster Nähe miterlebt hatten, wirkten apathisch, ihr Blick war starr und leer auf einen vagen Punkt in der Nacht gerichtet. Ob jung oder alt, Frauen oder Männer, viele nur durch ihre Nacktheit zu erkennen, sie ließen sich alle führen, manche stützen, wieder andere schienen ihre Helfer gar fortzuziehen, möglichst weit weg von dem Grauen.
    Anders die Helfer, sie schienen von einer Erregung gepackt, die sie zwang, sich fortwährend umzublicken, als fürchteten sie einen Hinterhalt, oder sie wechselten wirre, widersprüchliche Sätze mit denen, die eben erst am Ort des Unglücks angekommen waren.
    »Geht in die Celestia! Dort werden starke Arme zum Ausgraben gebraucht!«, sagte ein schmächtiger Mensch im Tonfall des katastrophenerfahrenen Veteranen, während er mühsam eine untersetzte, korpulente Nonne stützte, deren helle Ordenstracht zerrissen und rauchgeschwärzt war.
    »Sie sind tot«, jammerte die Nonne. »Sie sind alle tot   …«
    Andrea ging schnell auf sie und ihren Helfer zu.
    »Was sagt Ihr, ehrwürdige Mutter?«, fragte er, um sich dann an den Mann zu wenden: »Sind sie alle tot oder gibt es noch Hoffnung?«
    »Tot, tot   …«, sagte die Nonne kopfschüttelnd und schien ihren letzten Atemzug auszuhauchen. Ihre Worte wurden vom widersprechenden Ausruf des Helfers übertönt: »Lauft, Signore, in der Kirche gibt es viele Seelen zu retten!«
    »Kehrt um, das Arsenal wird gleich in die Luft gehen!«, schrie wiederum ein Mann, der wie ein Pestdoktor gekleidet war, um sich vor Asche und Rauch zu schützen. Er trug einen knöchellangen Umhang, einen breitkrempigen Hut und eine Maske mit einem langen Raubvogelschnabel.
    Bei dieser Nachricht, ausgerufen von einem Mann der Wissenschaft, verlangsamten viele, die herbeieilen wollten, ihren Schritt.
    »Schweig, Unglücksrabe!«, schrie ein Arsenalotto, ein Arbeiter des Arsenale, der für die öffentliche Ordnung verantwortlich und klare Worte gewohnt war. Er zog den roten Stock, der ihn als Garde auswies, und sagte: »Der Schaden, der entstehen konnte, ist entstanden. Dank der Jungfrau Maria konnten die übrigen Pulvermagazine auf die Inseln gebracht werden. Nur Mut, gehen wir!« Mit diesen Worten trat er festen Schrittes auf das Feuer zu, das die im Bau befindliche Kirche San Francesco della Vigna in schwarzen Rauch hüllte. Er ließ Andrea und die anderen mit dem lähmenden Zweifel zurück, wer von beiden, der Arzt oder der Arbeiter, die Wahrheit gesagt hatte. Und an diesem Scheideweg, wo wie bei einem Turnier die Feiglinge stehenbleiben, die Vorsichtigen abwarten, die Verrückten und die Mutigen loslaufen, war Andrea der Erste, der eine Entscheidung traf und die vom Arsenalotto eingeschlagene Richtung nahm.

6
    Die Verwüstung begann hinter dem Campo San Francesco, im Rücken der Kirche und des Campanile. Andrea war innerhalb weniger Minuten dort angekommen, er hatte die Stufen des ponte San Francesco mit einem Sprung genommen, Palazzo Gritti gestreift und mit schnellen Schritten die mit Trümmernübersäten Plätze vor der Kirche und

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