Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
verließ mein Zimmer.
Mir gegenüber lag Natalyias Zimmer. Einen Moment zögerte ich, dann öffnete ich die Tür. Es war noch alles so, wie sie es zurückgelassen hatte. Auf ihrem Bett lagen ihr Ranzen und ihre Reisekleidung; auch sie hatte bereits zum größten Teil gepackt. Alles war sorgsam aufgeräumt, ordentlich und sauber.
»Es ist seltsam«, sagte Zokora und trat lautlos an mir vorbei in das Zimmer. Sie musterte den Raum, und ihr Blick fiel auf den kleinen Altar zu Ehren Soltars, der auf einem Tisch neben dem Bett stand. Eine unangetastete Kerze stand davor. »Sie hat den Vater meiner Kinder erschossen. Du hast mir gesagt, es wäre möglich zu vergeben.« Sie sah mit dunklen Augen zu mir auf. »Wir glauben nicht an Vergebung, Havald.«
»Ich weiß.«
Sie hob die Hand, und ein Funke flog zu der Kerze und entzündete sie. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Unseren Kindern raten wir stets zur Vorsicht. Ein Freund kann ein Dolch im Rücken sein.« Vielleicht lächelte sie dabei, ganz sicher war ich mir nicht. »Ich lerne von dir, Havald, aber ich weiß nicht, ob ich wirklich alles lernen will.« Sie verließ mich so lautlos, wie sie gekommen war.
Ich ging mit Zokora und Varosch zusammen zum Hafen, Leandra hatte noch einige letzte Anweisungen für Taruk und Afala zu geben. Wenn es am Platz der Ferne Unruhen gab, dann war hier am Hafen jedenfalls nichts davon zu bemerken. Allerdings hörte ich hier und da den Namen Soltars und sah viele, die sein Zeichen ausführten.
Wir gingen langsam und schweigend. Weit war es nicht, aber auf der ganzen Strecke fühlte ich die Aufmerksamkeit der anderen auf mir ruhen. Wenn ich zu ihr hinüberblickte, schien Zokora immer gerade etwas anderes zu betrachten, Varosch hingegen sah mich unverwandt an.
Ich seufzte. »Was ist, Varosch?«, fragte ich ihn, als wir das Schiff erreichten.
»Später«, gab er mir Antwort. »Wenn wir mehr Muße haben.«
Das war mir recht. Ich mochte Varosch, aber im Moment war mir nicht nach Reden zumute. Die Planke zum Ufer war eingezogen, doch eine Bordwache sah uns und beeilte sich, die Planke auszubringen. Wir gingen an Bord, und schon im nächsten Moment eilte Deral, der Kapitän der Lanze , herbei.
»Wir warten nur noch auf die Esseras Leandra und Helis«, teilte ich ihm mit. »Ich nehme an, wir können aufbrechen?«
»Schon«, antwortete Deral, wirkte aber nicht besonders glücklich dabei. »Es gibt nur ein paar Probleme.« Ich sah ihn fragend an, und er hob beschwichtigend die Hand. »Es ist nichts Großes«, wiegelte er ab. »Aber ich kann das nicht allein entscheiden.«
»Wendet Euch damit an die Essera Leandra«, befahl ich ihm. »Im Moment will ich nicht behelligt werden.«
Einen Augenblick lang sah es aus, als ob er widersprechen wollte, dann verbeugte er sich tief und zog sich zurück. Wir gingen nach hinten zu unserer Kabine, und ich hielt überrascht inne, denn dort saß die junge Frau von heute Morgen, die ich schon fast vergessen hatte.
Sie trug weite schwarze Hosen in einem mir unbekannten Schnitt, eine Art Jacke mit breitem, stehendem Kragen, dazu seltsame Holzpantinen, die aus einem Brett und zwei Blöcken zu bestehen schienen. Ihr Haar war schwarz wie die Nacht und zu einem strengen, langen Zopf gebunden, der ihr fast bis auf den unteren Rücken reichte. Die größte Überraschung jedoch war ihr Gesicht. Es war runder, als ich es gewohnt war, mit einer gelblichen Färbung, die im ersten Moment kränklich auf mich wirkte, bevor ich verstand, dass es die Farbe ihrer Haut war. Der Mund war voll und weit geschwungen, die Nase flach, feine Augenbrauen betonten eine hohe Stirn, und die mandelförmigen Augen waren so dunkel wie die Zokoras. Und genauso ausdruckslos. So seltsam mir ihre Gesichtszüge auch erschienen, zusammen ergaben sie doch ein elegantes Bild.
»Havald, Ihr starrt sie an«, flüsterte Varosch, und ich blinzelte.
»Entschuldigt«, sagte ich zu der jungen Frau. »Euer Anblick hat mich überrascht.« Ich deutete eine Verbeugung an. »Mein Name ist Havald, ich bin der Besitzer dieses Schiffs. Darf ich fragen, wer Ihr seid?«
Einen Moment musterte sie mich intensiv und schaute dann wieder durch mich hindurch.
»Essera?«
Keine Reaktion.
Zokora war direkter. Sie trat an die junge Frau heran und schnippte mit den Fingern vor ihren Augen. Unser Gast blinzelte nicht einmal.
Zokora trat zurück und ging in die Kabine, ohne die Frau eines weiteren Blicks zu würdigen. Varosch versuchte ein Schmunzeln zu
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