Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
erinnerte, und trat dann vor, mit einer Hand den Stab erhoben, während die andere unter seiner dunklen Robe verschwand. Wenn man Zokora glauben konnte, dann war der Priester überaus gefährlich. Grund genug, ihm keine Zeit zu geben, uns zu schaden.
Was immer er unter seiner Robe verborgen hatte, er kam nicht dazu, es zu greifen, denn schon beim nächsten Lidschlag stieß ich ihm die Klinge ins Herz.
Eines war seltsam. Seelenreißer verzichtete auf das Leben dieses speziellen Opfers. Die Hand des Priesters öffnete sich, ein alter, rostiger Schlüssel fiel klirrend zu Boden.
»Havald«, teilte er mir mit einem Seufzer mit, als er zusammenbrach, »du bist ein Idiot.«
Wie recht er mit seinen Worten hatte, zeigte sich im nächsten Moment. Ich sah nur noch Leandras hasserfülltes Gesicht und hörte, wie sie mich einen Verräter schimpfte, dann ging die Welt in gleißendem Licht unter, als sie mir einen ihrer bewährten Blitze entgegenschleuderte.
»Er hatte Glück, dass Ihr ihn nicht voll getroffen habt«, hörte ich Marcus’ Stimme von fern. »Ich dachte schon, Ihr hättet ihn gegrillt wie ein Ferkel am Spieß.«
»Sprecht weiter so, und Ihr erfahrt sogleich, wie sich das anfühlt«, vernahm ich Leandra über mir. Meine Augen sprangen auf, und über mich gebeugt sah ich im roten Schein der Lava ihr besorgtes Gesicht. Sie hatte mich auf ihren Schoß gebettet, und nach der Art zu schließen, wie sie mich ansah, wollte sie mich wohl nicht mehr zu Soltar schicken. Ich war ehrlich froh darüber, denn einen solchen Blitz wollte ich nicht noch mal abbekommen. Noch immer kribbelte es schmerzhaft in jeder Faser meines Körpers.
»Er ist wach«, meinte Marcus erstaunt. »Götter, ist das ein zäher Hund.«
»Wasch … was ist geschehen?«, nuschelte ich, versuchte mich aufzurichten und überlegte es mir sogleich anders. Ich war schwach wie ein neugeborenes Kind.
»Es tut mir leid, Havald«, sagte Leandra mit feuchten Augen. »Du ahnst gar nicht, wie leid mir alles tut!«
»Der Pirat hat einen Stein nach ihr geworfen«, hörte ich Artin. Ich wandte den Kopf in Leandras Schoß und sah ihn an der Wand des Gangs stehen, direkt neben der Tür zum Innern des Vulkans. In einer Hand hielt er den Schlüssel, den der Priester fallen gelassen hatte, und spielte damit herum. Er hatte die Tür bereits geöffnet, und es wehte Hitze zu uns herein. »Gerade rechtzeitig, denn sie wollte Euch mit ihrem Dolch erstechen.«
»Ich wusste nicht, was ich tat«, meinte Leandra mit schwacher Stimme. »Ich danke den Göttern, dass es nicht so weit kam.«
»Dankt lieber mir, En’shin’dira«, widersprach Artin. »Hätte ich den Reif um Euren Hals nicht rechtzeitig gesehen, hätte ich Euch erschlagen.«
»Dann danke ich Euch«, sagte Leandra. »Aber nennt mich nicht Bastard, es ist nicht meine Schuld, dass ich im falschen Laken geboren wurde!«
»So war es nicht gemeint«, entgegnete Artin überraschend milde. »Aber Ihr habt recht, es ist unhöflich.«
Langsam und mit Leandras Hilfe war es mir möglich, mich aufzurichten. »Was war denn nun?«, fragte ich.
»Der Stein betäubte sie und gab uns gerade genug Zeit, sie festzuhalten und ihr den Reif abzunehmen«, erklärte Artin. Er strich sich über die linke Wange, wo zu den alten Spuren nun vier tiefe neue Kratzer hinzugekommen waren. Leandras scharfe Fingernägel. »Kaum war das vollzogen, brach sie zusammen.«
»Sie hat geheult wie ein kleines Kind, als sie Euch da liegen sah«, fuhr Marcus eifrig fort. »Ihr saht auch schlimm aus, habt überall geraucht und …«
»Marcus«, meinte Artin kühl, »achte auf deine Worte und ihre Hand.«
Ich drehte den Kopf zur Seite und sah die kleinen Blitze, die über Leandras Hand liefen, als sie den hageren Piraten drohend anfunkelte.
»Seht mich nicht so an«, beschwerte er sich. »Ich war es nicht, der ihn verbrannt hat! Und sollten wir nicht lieber weiter fliehen, als es uns hier gemütlich zu machen?«
Ich berührte Leandra leicht am Arm, und sie schaute zu mir herab. »Hilf mir hoch«, bat ich sie leise, und die Blitze verschwanden.
Es dauerte eine Weile, bis ich stand. Noch war ich schwach und dankbar für den eisernen Rahmen der Tür, an den ich mich lehnte, auch wenn er mir unangenehm warm vorkam. Meine Haut juckte und brannte fürchterlich, überall war ich von Ruß bedeckt, die Lederrüstung an manchen Stellen angekokelt. Leandras Blitz hatte mir erneut die Haare versengt und Teile der Haut verbrannt; der Schmerz war gerade so
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