Die Feuerinseln: Das Geheimnis von Askir 5 (German Edition)
und lächelte, denn er hätte mir Seelenreißer bestimmt nicht geschickt, wenn es keine Hoffnung mehr für uns gäbe.
»Jetzt ist er verrückt geworden«, hörte ich Artins Stimme aus der Zelle. »Seht, wie er dasteht und grinst, als hätte er eine Offenbarung erfahren. Gleich fängt er noch an, zu tanzen und zu singen.« Ich schaute auf. Er stand am Gitter der Tür und schüttelte traurig den Kopf. »Warum nur haben die Götter den Verstand der Menschen so zerbrechlich gemacht?«
Ich lachte, denn ich konnte nicht anders. »Macht Euch keine Sorgen deswegen«, erwiderte ich und suchte unter den Toten den Kerkermeister. »Mir ging es nie besser als in diesem Moment.«
»Das scheint mir eher ein weiterer Beweis für Euren Wahnsinn zu sein«, meinte Artin bissig, doch im nächsten Moment hatte der Pirat ihn vom Zellenfenster weggeschoben.
»Schnell, öffnet die Tür!«, rief Marcus. »Gebt uns die Freiheit zurück!«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte ich ihn, während ich den Kerkermeister auf den Rücken drehte, um besser an den großen Schlüsselbund heranzukommen. »Ich halte nichts von Opferungen, aber Ihr seid ein Pirat und habt den Tod ganz sicher verdient.«
»Natürlich, so kann man es sehen«, pflichtete er mir bei. »Aber ich bin ein Pirat, der Euch den Weg aus diesem Kerker zeigen kann! Niemand kennt die Festung hier so gut wie ich. Außerdem ist dieser Elf hier drinnen. Er ist kein Pirat, wollt Ihr, dass er auch geopfert wird? Er hat Euch doch eben geholfen, oder nicht?« Er hielt eine verrostete Kette hoch. »Und diese Kettenglieder binden unsere Füße zusammen, den Elf und mich. Wenn ich sterbe, stirbt er auch.«
Ich probierte einen der rostigen Schlüssel am Schloss der Zelle aus. »Anders als Ihr hat er den Tod nicht verdient.«
»Ein Punkt, in dem wir uns einig sind«, meinte Marcus und verzog sein Gesicht, als seine Lippe erneut aufriss. »Darauf lässt sich aufbauen!« Sein Grinsen litt nicht unter der Wunde. »Seid Ihr nicht neugierig, welches Talent ich besitze? Ich sage Euch, es kann Euch nützlich sein, wenn ich Euch aus diesem Höllenloch hinausbegleite.«
»Wenn«, sagte ich skeptisch und seufzte. »Erzählt schon.«
Auch der zweite Schlüssel passte nicht.
»Ich weiß, wie ich aus jeder Situation das Beste für mich mache. Das ist ein mächtiges Talent, findet Ihr nicht auch?«
Ich hielt inne und musterte ihn durch das Gitter der Zellentür. Er lebte noch, also mochte es zutreffen. Die meisten anderen aus dem Rat der Piraten hingen unten am Hafen an den Galgen. »Ist es so einfach?«, fragte ich ihn, während ich den nächsten Schlüssel ausprobierte.
»Nicht ganz«, erklärte er und zappelte ungeduldig herum, als auch der nächste und der übernächste Schlüssel nicht passen wollten. »Ich sehe manchmal Dinge, die mich berühren und mein Leben verändern könnten, und ich fühle oder ahne, was ich tun muss, um es zu erreichen oder abzuwenden. Es ist, als spielt man Shah mit seinem eigenen Leben und sieht die Züge zwanzigfach voraus. Man kann davon leicht wirr im Kopf werden.«
Der letzte der verrosteten Schlüssel schien zu passen, doch dann klemmte er, und als ich rüttelte, brach er ab.
»Das«, sagte ich und zog Seelenreißer, »glaube ich Euch gern.« Ich hob die Klinge, Marcus sprang hastig zurück, und ich schlug das Schloss mit drei Hieben aus dem alten Eisen.
»Danke«, rief er, als ich die widerstrebend kreischende Tür aufzog. »Das werde ich Euch nie vergessen. Wisst Ihr, dass wir irgendwann Freunde sein werden?« Ich zögerte kurz und gab ihm dann das alte Schwert.
»Das, mein Freund , wage ich zu bezweifeln«, antwortete ich. Zurzeit hatte ich von falschen Freunden mehr als genug.
Artin kam zusammen mit Marcus aus der Zelle gehumpelt. Was die Kette anging, hatte der Pirat also nicht gelogen. Ein letzter Streich mit Seelenreißer, und sie war durchtrennt.
Der Elf schaute von der zerstörten Kette auf und musterte mich mit seinem guten Auge. »Es scheint, als wäre ich Euch noch immer etwas schuldig«, stellte er dann fest, bevor er sich bückte, um einem der toten Soldaten das Schwert abzunehmen. Er sah zu, wie ich Seelenreißer wieder in der Scheide verschwinden ließ, und nickte. »Dass Ihr dieses Schwert tragt, erklärt so einiges.«
Die Art, wie er es sagte, ließ mich aufhorchen, und ich nahm mir vor, ihn später noch dazu zu befragen. Später, nicht jetzt. Wir hatten anderes zu tun.
Die Schwerter der Soldaten waren nicht die besten, aber der Stahl
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