Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
hat, zieht er einen kurzen, leichten Dolch. Es ist eine sehr einfache Waffe mit Holzgriff, aber die Klinge schimmert, so oft ist sie schon poliert und geschärft worden.
Die Klinge.
Mein Mund wird trocken.
Er wirft den Dolch in die Luft und fängt ihn an der Spitze mit Daumen und Zeigefinger, dann streckt er mir den Griff entgegen. » Hier«, sagt er. » Nehmt ihn.«
Ich wische mir die Hand an meinen Hosen ab. Langsam und mit klopfendem Herzen umfasse ich den Griff. Er fühlt sich kalt an in meiner Hand.
» Ihr solltet jederzeit ein Messer bei Euch tragen«, sagt Hector. » Möglicherweise müssen wir Eure Kleidung entsprechend anpassen. Wenn Ihr es versteckt haltet, habt Ihr bei einem Angriff aus der Nähe einen Vorteil.«
Ich starre das Ding in meiner Hand an.
» Ich werde Euch beibringen, wohin man sticht, um dem Gegner möglichst schwer zu schaden«, erklärt er.
Ich habe schon einmal jemanden erstochen. Es war schrecklich. So intim und so zerstörerisch. Hinterher war überall Blut.
» Euch ist sicherlich schon aufgefallen, dass die Schneide leicht gezackt ist.« Er deutet auf einige Kerben nahe der Spitze. » Damit richtet diese Klinge auch Schaden an, wenn man sie wieder herauszieht.«
Der Dolch, der durch Humbertos Kehle fuhr, hatte eine gezackte Schneide. Daran erinnere ich mich, als ob ein Maler diesen Augenblick eingefangen und jetzt die Leinwand vor meinen Augen ausgerollt hätte. Ich frage mich, ob die Klinge, die in meinen eigenen Körper gestoßen wurde, auch gezackt war. Musste ich deshalb mit so vielen Stichen genäht werden? In mich eingedrungen ist das Metall jedenfalls ganz leicht.
Mein Magen dreht sich um vor Übelkeit. Ich schlucke, um dagegen anzukämpfen, aber meine Wangen werden kalt und klamm.
» Und da Ihr nicht sehr groß seid, werde ich Euch zeigen, wie Ihr für Euren Stich besonders viel Kraft und Hebelkraft erreichen könnt. Es gibt da ein paar Tricks…«
Ich lasse das Messer fallen. Es federt vom Teppich und rutscht klappernd über den Fliesenboden. Wieder wische ich mir die Hand an den Hosen ab, als könnte ich auch die Erinnerung daran, wie sich die Waffe gerade eben noch angefühlt hat, damit wegwischen.
» Elisa? Was….«
» Ich kann das nicht«, flüstere ich und sehe überall hin, nur nicht zu Hector. » Es tut mir leid.«
» Das verstehe ich nicht. Es war doch Eure Idee. Und eine gute noch dazu. Ihr solltet lernen…«
» Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Messer benutzen kann.« Die Waffe liegt noch immer auf dem Boden, ich starre sie an. Vielleicht könnte ich es über mich bringen, es noch einmal zu probieren. Ich darf einfach nicht daran denken, wie sie in meinen eigenen Bauch gefahren ist. Ich kann das. Ich kann stark sein.
» Es ist der beste Weg, sich zu verteidigen«, betont Hector.
Gerade will ich ihm sagen, dass ich es noch einmal versuchen will, als Ximena erklärt: » Nein, das ist es nicht.«
Hector sieht sie mit gerunzelter Stirn an.
Ximena rutscht vom Bett und kommt hart auf den Füßen auf dem Boden auf. Schwerfällig schreitet sie zu uns herüber, und ich staune wieder einmal darüber, dass diese füllige, schon etwas in die Jahre gekommene Frau tatsächlich in der Lage ist, mich zu beschützen. Jetzt bin ich gespannt, was sie tun wird.
Sie bückt sich, hebt den Dolch auf und gibt ihn Hector, den Griff voran. » Greift mich an«, sagt sie ganz ruhig.
Hectors Augen werden schmal. » Seid Ihr sicher, Lady Ximena?«
Sie lächelt. » Aber seid sanft mit einer alten Frau.«
Er zuckt die Achseln. Dann täuscht er schnell wie der Blitz einen Angriff mit der Linken vor, lässt die Klinge dann aber rechts hinunterfahren und zielt mit einer ausholenden Bewegung auf ihren Bauch.
Sie weicht aus, und ihr Arm bewegt sich so schnell, dass die Rüschen an ihrem Kleid vor meinen Augen verschwimmen. Hector stöhnt auf, und dann schlägt der Dolch wieder klappernd auf die Fliesen.
Ihre Blicke treffen sich. Ximena hat sein Handgelenk gepackt und drückt es so zusammen, dass sich sein Griff gelockert hat und seine Hand nutzlos und schlaff herunterhängt. Der Ärmel ihrer gewaltigen Bluse ist zerrissen.
» Die Königliche Leibgarde trainiert doch den Nahkampf«, sagt sie. » Daher müsstet Ihr wissen, genauso gut wie ich, wie leicht es ist, jemanden zu entwaffnen.« Sie lässt sein Handgelenk los und macht einen Schritt zurück » Und es ist besonders leicht, jemandem die Waffe abzunehmen, der im Kampf mit dem Messer nicht erfahren ist. Letztlich
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