Die Feuerkrone: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
wegzukriechen, bevor Ihr bewusstlos wurdet. Aber was, wenn…«
» Was, wenn mich jemand gezogen hat? Was, wenn Ihr jemanden gestört hättet, als Ihr mich suchen kamt?«
Hector geht zur Wand und schreitet zwischen den beiden Fenstern hin und her. » Das wäre vielleicht sogar eine gute Wendung«, meint er. » Euch zu entführen, das erfordert eine gewisse Planung. Finesse. Euch nur zu töten, das ist im Vergleich einfach.«
» Oh?« Ich wollte nicht unbedingt hören, dass es leicht ist, mich zu töten.
» Eine Entführung erfordert es, sehr nahe an das Opfer heranzukommen«, überlegt er. » Auf Entfernung ist das nicht möglich. Sie müssen Euch von Euren Beschützern weglocken…«
Eine Idee überfällt mich. Ich drehe und wende sie im Kopf hin und her, betrachte sie aus verschiedenen Blickwinkeln.
» Elisa?«
Ich habe eine Rebellion angeführt, Hexenmeister überwältigt, bin Königin geworden. Ich werde auch das hier schaffen. Entschlossen straffe ich die Schultern, hebe das Kinn und sage mit bester Königinnenstimme: » Zeigt mir, wie ich mich selbst verteidigen kann.« Bevor er etwas einwenden kann, fahre ich fort: » Ich erwarte nicht, dass Ihr mich zu einem Elitesoldaten macht. Bringt mir einfach nur bei, wie ich mich in einem Handgemenge behaupten kann. Lehrt mich, einem Angreifer auszuweichen. Ich bin eine sehr gute Schülerin. Ich kann alles lernen, wenn ich mir nur genug Mühe gebe.«
Er nickt. » Das weiß ich. Aber was ist mit Eurer Verletzung? Solltet Ihr nicht…«
» Wir werden langsam und leicht anfangen.«
Er umfasst den Knauf seines Schwerts und tippt mit den Fingern dagegen. » Wenn Ihr als Thronfolgerin erzogen worden wärt, hätte man Euch die grundsätzlichen Techniken ohnehin beigebracht.«
» Wir brauchen Platz. Ungestörtheit.« Ich möchte mich nicht vor meiner gesamten Leibgarde ungeschickt und schwerfällig zeigen.
» Alejandros Gemächer?«, schlägt er vor. » Sie sind recht groß, und wir könnten das Bett zur Seite rücken.«
» Gute Idee.« Ich lächele bei dem Gedanken.
Seine Lippen zucken, und er gibt sich alle Mühe, nicht zurückzulächeln.
Am nächsten Tag bereiten die Leibgardisten die königlichen Gemächer entsprechend vor, sorgen für freien Platz und schieben das absurd große Himmelbett an die Wand. Der Boden ist mit Teppichen ausgelegt, die in ihren Farben und Materialien einem Sonnenuntergang nachempfunden sind. Die Wächter wollen sie aufrollen und ebenfalls aus dem Weg räumen, als Hector sie aufhält.
» Höchstwahrscheinlich wird man Euch im Palast angreifen«, sagt er. » Also werden wir die ersten Übungen auf Teppichen machen. Dabei denke ich nicht nur an Attentäter, die Euch gefährlich werden könnten– eine Königin kann genauso leicht von einer wütenden Menge getötet werden. Daher werden wir uns auf gefährliche Begegnungen aus nächster Nähe konzentrieren.«
Hector schickt alle Wächter außer Fernando weg und befiehlt ihnen, ihre üblichen Posten in meinen Gemächern zu beziehen. Fernando hingegen soll die Tür vor der königlichen Suite bewachen.
Mara habe ich für diese Stunde frei gegeben, aber Ximena setzt sich aufs Bett, um uns zuzusehen. Hector beäugt sie misstrauisch, sagt aber nichts. Zwar spüre ich die Spannung zwischen den beiden, aber es ist richtig, dass Ximena hier ist.
Hector und ich stehen einander gegenüber. Ich bin unruhig und nervös. Es ist dumm, das weiß ich natürlich, aber ich habe Angst, mich vor ihm zu blamieren.
» Wenn ich ein Feind wäre«, sagt er, » und wenn ich Euch auf diese Weise angreifen würde«, jetzt zieht er sein Schwert, richtet die Spitze auf mich und macht einen Schritt auf mich zu, » was würdet Ihr dann tun?«
Verschiedene Möglichkeiten gehen mir durch den Kopf. Nach einer Waffe suchen? Mich wegducken und versuchen, hinter seinen Schwertarm zu kommen? Ihn zu Fall bringen? Seine Mutter beleidigen?
Ich entscheide mich für eine ehrliche Antwort. » Ich würde weglaufen«, gebe ich zu. » So schnell ich kann.«
» Gut! Das ist genau die richtige Entscheidung. Flucht sollte stets Eure erste Wahl sein. Alles, was ich Euch beibringen werde, ist für den Notfall gedacht und sollte nur dann eingesetzt werden, wenn es keine Möglichkeit zur Flucht gibt. Ist das klar?«
» Klar.« Ich sehe zu Ximena hinüber, die zustimmend nickt.
» Also, für den Anfang möchte ich, dass Ihr euch erst einmal mit einem Messer vertraut macht.« Aus dem Waffengurt, den er sich um die Hüften geschlungen
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