Die Feuertaufe
beiden schreiben einander regelmäßig. Er schickt ihr kleine Präsente. Sie lässt ihm Bilder der Kleinen zukommen. Ich habe seine Privatsekretärin ein wenig ausgehorcht – und das ziemlich geschickt, wie ich anmerken möchte. Diese Sekretärin kümmert sich um Prinz Michaels Terminkalender, wann immer er sich gerade wieder einmal im System befindet und dienstfrei hat. Es hat sie ziemlich belustigt, dass das Allererste – und auch das Einzige –, worauf Prinz Michael stets besteht, immer nur ist, genug Zeit zu haben, einer gewissen Judith Newland einen Besuch abzustatten.
Aber viel wichtiger ist noch etwas anderes: Bevor Prinz Michael diese Judith Newland kennengelernt hat, war er ein völlig normaler, aktiver, heterosexuell orientierter junger Mann. Seit es Judith gibt, ist er keinerlei Beziehungen mehr eingegangen – er flirtet nicht einmal mehr! Ich habe auch keine brauchbaren Hinweise darauf gefunden, dass er irgendwelche Freudenhäuser aufgesucht hat – und welcher Flottenangehörige tut das bei einem Landgang nicht?«
»Ein Flottenangehöriger«, gab George zu bedenken, denn er war wirklich konservativer und sittenstrenger als seine Gemahlin, »der Wert auf seinen Ruf legt und auch auf den seiner Familie.«
»Ja, das stimmt wohl«, erwiderte Babette, beugte sich vor und gab George einen Kuss auf die Nasenspitze. »Und genau deswegen wird es die Allgemeinheit so unendlich schockieren, wenn Prinz Michael plötzlich jegliches sittliche Verhalten in der Öffentlichkeit vermissen lässt. Er war doch immer ein so guter, braver Junge …«
»Und wenn er sich weigert?«
»Das wird er nicht tun«, versetzte Babette sehr zuversichtlich. »Er liebt Judith – und dieses Balg auch. Selbst wenn Prinz Michael nicht so reagiert, wie ich mir das überlegt habe, haben wir ja immer noch das Kind. Dann werden unsere Helfer die kleine Ruth eben Ephraim Templeton aushändigen und die Übergabe auf Video aufzeichnen. Das dürfte ziemlich unschön werden. Templeton hasst die Mutter der Kleinen aus tiefstem Herzen. Es sollte mich überhaupt nicht überraschen, wenn er das Kind erst einmal ordentlich durchprügelt, sobald er es in die Finger bekommt …«
»Und genau dieses Verhalten«, griff George den Gedanken auf, »lässt sich gewiss für unsere Zwecke nutzen. Nicht nur, dass alle Bewohner des Sternenkönigreichs dann mit eigenen Augen sehen, was für Untiere diese Masadaner sind, nein, nein! Dann begreifen die Graysons auch endlich, dass ein Sternenkönigreich, das nicht einmal ein einzelnes Kind zu beschützen vermag, wahrhaftig ein schwacher Verbündeter ist.«
»Und dann …«, fuhr Babette fort, und ihre Miene wurde mit einem Mal sehr viel ernsthafter. In ihren Augen funkelte jetzt der Eifer einer echten Reformerin. »Ja, dann können wir das Sternenkönigreich endlich wieder auf den rechten Weg bringen. Dann hat es ein für alle Mal ein Ende mit jeglichen Bündnissen mit fremden Staaten, und das Sternenkönigreich verschwendet auch nicht mehr all unsere Ressourcen darauf, deren primitive Technologie auf einen halbwegs akzeptablen Stand zu bringen.«
»Ganz genau«, stimmte George zu. »Es bedarf nur eines bisschen Klatschs und Tratschs, dann kann die kleine Ruth wieder zurück zu ihrer Mama, und die Politik des Sternenkönigreiches kann sich endlich wieder auf ihren Eigenbedarf konzentrieren.«
Bis der Flugwagen auf dem Landeplatz des Wohnturms aufsetzte und Michael ausstieg, hatten die Ereignisse der letzten Stunde Judith völlig überwältigt. Sie hatte ganz vergessen, dass ihr bester Freund auf ganz Manticore für diesen Tag seinen Besuch angekündigt hatte.
Entsprechend war Judith auch völlig erstaunt ob dieses vermeintlichen Zufalls. Dann meldete sich eine eisige, unerbittliche Stimme aus der Tiefe ihrer Seele zu Wort. Die Entführer hatten gewusst, dass er sie besuchen würde. Sie hatten es ganz genau gewusst und sowohl Ruths Entführung als auch diesen Anruf so aufeinander abgestimmt, dass Judith gleich Michaels Besuch dazu ausnutzen konnte.
Sie warf einen Blick auf ihr Chronometer. Michael war mindestens eine halbe Stunde zu früh. Je nachdem, wie genau die Entführer informiert waren, mochte Michaels verfrühtes Eintreffen ihnen durchaus einen Knüppel zwischen die Beine werfen.
Judith lief auf den Flugwagen zu, versuchte gar nicht erst, ihren Eifer zu verbergen, und hoffte darauf, dass man ihr nicht anmerkte, wie verzweifelt sie war. Als auf der Beifahrerseite noch ein zweiter junger Mann aus dem
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