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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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durch die Damen des Lyzeums, im Physiksaal versammelt und harrte ihres
Lehrmeisters in der anbefohlenen bunten Reihe. Allerdings waren einige Plätze
sachgemäß getauscht. Rosen hatte sich von seiner Schwester weggesetzt, und
ebenso seine Schwester von ihm. Luck war an die große Lotte herangerückt und
sah mit einem viertel Auge andachtsvoll an ihr empor. Knebel hatte Ilselotte
gegen eine andere vertauscht, die weniger quietschte. Der riesige Husemann fand
an einem kleinen, quecksilbrigen Püppchen Gefallen und lächelte wohlgefällig
auf sie herab.
    Hans Pfeiffer saß nicht neben Eva. Er
hatte einen großen Karton mitgebracht und kramte in seinen Taschen.
    Wo bleibt Schnauz?
    „Den habe ich abbestellt“, sagte Hans
beiläufig, nahm seinen Karton unter den Arm, holte aus dem Klassenschrank einen ramponierten Fußball und zog
damit ab.
    Vorsichtig schlüpfte er über den Gang
und verschwand mit seinen Requisiten hinter einer Tür mit der Aufschrift: „oo
Nur für die Herren Mitglieder des Lehrerkollegiums“.
    Nach wenigen Minuten kam er wieder zum
Vorschein. Wesentlich, wenn auch nicht zu seinem Vorteil verändert.
    Mit Hilfe einer strähnigen Perücke, mit
zottiger Bartwolle und Mastix hatte er sich als Professor Crey zurechtgemacht.
Auf der rötlich geschminkten Nase sitzt ein goldener Zwicker, und aus der
Brusttasche flattert ein überlebensgroßes Seidentuch. Den Fußball trägt er als
Spitzbauch unter einer weißen Weste. Er hat alles frech übertrieben und sieht
dem Schnauz so ähnlich wie eine unverschämte Karikatur.
    Auf dem Wege zum Physiksaal hört er
bereits den fröhlichen Krach der gemischten Physikstunde. Ein Sextaner, der ihm
auf dem Gang begegnet, grüßt ehrerbietig.
    Im Physiksaal ging es allerdings hoch
her. Man hatte ein frisch-fröhliches Tänzchen arrangiert. Mitten auf dem
großen, zinkbeschlagenen Experimentiertisch saß die Jazzkapelle, bestehend aus
Rudi Knebel mit der Mundharmonika und dem roten Schrader, der auf Säureflaschen
und Reagenzgläsern Schlagzeug spielte. Rundherum hopsten und torkelten die
Paare. Die Primaner hatten durchweg noch keinen Tanzunterricht genossen und von
dem Wesen des Tanzes sehr verschiedene Vorstellungen. Einige hielten die
Partnerin mit langen, steifen Armen von sich ab und tanzten im Riesenkreis um
sie herum. Andere hatten — offenbar zwecks Platzersparnis — ihre Mädel herzhaft
an sich gequetscht, daß ihnen die Luft ausging. Ackermann aber, der mit den
vielen Ehrenämtern, hatte alle Hände voll zu tun, um die Glasschränke und
Gläsergestelle vor den Tänzern zu schützen. Nur Melworm saß einsam in seiner
Bank.
    Hans reißt die Tür auf und stelzt in
den Physiksaal.
    „Sätzen Sä säch.“
    Die Klasse tut einen unterdrückten
Schrei und stiebt auseinander. Zwei Sekunden Stille. Aber dann erkennt man den
Scherz und begrüßt den nachgemachten Schnauz mit Indianergeheul.
    Hans Pfeiffer verzieht keine Miene und
setzt sich aufs Katheder, schlägt das Klassenbuch auf, trägt seinen Namen ein
und beginnt den Unterricht ä la Schnauz. Und die Klasse spielt mit. Es war eine
köstliche Parodie; schade, daß der Schnauz sie nicht hörte. Er hätte Freude
daran gehabt.
    „Äva Knauer, stähen Sä auf. Warom
lachen Sä? Ech ben heute abend bei Ehnen zom Ässen eingeladen. Beställen Sä
Ehrem Vater, ech ben ein alter Mann und gähe leber fröh ins
Bette . Soll ech Ehnen den ongeratenen Schöler Pfeiffer als Verträter
Schecken?“
    Eva wird blaß vor Wut. Sie zischelt
etwas zwischen den Zähnen.
    „Äva Knauer, Sätzen Sä sech. Sä send
albern. Ehnen fählt die seitliche Reife. Ackermann schreiben Sä ens
Klassenbooch — Äva Knauer wegen ongehörigen Benähmens — Lock wegen säligen
Lächelns — und Knäbel wegen Beröhrens einer Schölerin.“
    Ein wahrer Segen, daß das Zimmer des
Direktors im entgegengesetzten Flügel des Gebäudes liegt, und daß man dort
nichts von der köstlichen Physikstunde und ihren Nebengeräuschen vernahm.
    Im Zimmer des Direktors ging nämlich
gerade ein feierlicher Akt vonstatten. Der Herr Oberschulrat war unvermutet zu
einer Inspektion eingetroffen und stand inmitten der ihn begrüßenden und
verbindlich lächelnden Lehrer. Sogar Bommel sprach zur Feier des Tages
hochdeutsch. Es war dem Schulrat zu Ohren gekommen, daß Professor Crey
neuerdings die Disziplin seiner Klasse nicht mehr in gewohnter Weise
hochzuhalten vermochte. Es war sogar irgend etwas von einem angeblichen
Trinkgelage während des Unterrichts

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