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Die Feuerzangenbowle

Die Feuerzangenbowle

Titel: Die Feuerzangenbowle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Spoerl
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Direktor zu ihm gesagt, durchhalten! Das
will er, fürwahr!
    Inzwischen hat der echte Schnauz die
Sprache wiedergefunden.
    „Sä onverschämter Flägel!“
    „Sä bodenloser Frächleng!“ tönt es
zurück.
    „Ech lasse Sä einspärren!“
    „Ech lasse Sä einspärren!“ schreit das
Echo.
    „Herr Direktor, ech bette Sä-“
    „Herr Direktor, ech bette Sä —“
    Der Dialog beginnt symmetrisch zu
werden. Genau wie das Bild.
    Der beiderseits zu Hilfe gerufene
Direktor aber hält sich draus. Er bewahrt seine Unparteilichkeit. Er ist nicht
für Konflikte.
    Der Oberschulrat hatte längst bemerkt,
daß etwas nicht in Ordnung war. Er wischte seine Brille, prüfte seinen Klemmer.
Aber daran konnte es nicht liegen. Es war kein Zweifel, der verehrte Kollege
Crey war doppelt vorhanden. Übrigens konnte man das ja auch ganz deutlich
hören. Denn die beiden Schnäuze brüllten unaufhörlich aufeinander ein. Keiner
wollte nachgeben.
    „Sä Borsche!“
    „Sä Flägel!“
    „Sä Lömmel!“
    „Sä Jongäh!“
    Schnauz contra Schnauz!
    Der Schulrat stellt die berechtigte
Frage, wer der richtige ist.
    „Ech, Herr Oberscholrat!“ schreit der
echte.
    „Ech, Herr Oberscholrat!“ überschreit
ihn der unechte, „denn ech ben zoerst hier gewäsen!“
    Der Schulrat wendet sich an den
Direktor. Der Direktor tut, als wäre er nicht da. Der Schulrat wendet sich an
die Lehrer. Die sind weit im Hintergrund. Der Schulrat wendet sich an die
Klasse. Sie ist wie vermauert.
    Inzwischen nähert sich der Wortstreit
seiner Entscheidung. Es ist wie immer im Leben: den Ausschlag gibt die stärkere
Lunge. Und die hat Hans Pfeiffer.
    Der echte Schnauz wird immer leiser und
kläglicher. Warum hilft ihm keiner? Was ist los? Er wird an sich selbst irre.
Vielleicht war er gar nicht der richtige? Allmählich gibt er den Widerstand auf
und bestreitet nicht länger, der scholdbeladene Schöler zu sein. Er ist zu
Ende. Zu Ende mit der Stimme und den Nerven.
    Nun weiß auch der Oberschulrat, woran
er ist. Er vereinigt seine immerhin noch beträchtliche Stimme mit der des Hans
Pfeiffer. Mit vereinten Kräften geben sie dem armen Schnauz den Rest. Er wird
in Atome zerrieben und läßt alles über sich ergehen. Nur als ihm der
Oberschulrat höchst eigenhändig mit zorniger Hand den vermeintlich angeklebten
Bart aus dem Antlitz reißen will, erhebt er einen leisen, aber nicht
unberechtigten Protest.
    Dann wird er seinem Schicksal
überlassen und kauert sich auf eine Bank. Von Zeit zu Zeit kneift er sich in
die Beine, um festzustellen, ob er träumt.
    Inzwischen hat sich der Oberschulrat
auf einen würdevollen Abschied besonnen.
    „Direktor Knauer, von Ihnen erwarte ich
umgehend — hm — Bericht über den unmöglichen Vorfall. Ich darf wohl als
selbstverständlich unterstellen, daß dieser — hm — ungeratene Schüler
unverzüglich von der Anstalt entfernt wird.“
    Er schleudert dem zerfransten Professor
einen Blick tiefster Verachtung zu und stapft von dannen. Die Tür läßt er weit
hinter sich offen. —
    Fünf Sekunden lang nichts. Man schaut
sich an. Man erwacht. Man kommt zur Besinnung.
    Direktor Knauer erholt sich zusehends.
Er weiß, was er jetzt zu tun hat. Er klammert sich an seiner blauen Mappe fest,
wuchtet auf Hans Pfeiffer los —
    „Sie!“
    „Bitte?“
    „Sie!“
    „Jawohl.“
    „Siiie!!!“ Und läßt auf Hans Pfeiffer
ein Gewitter niederprasseln, daß die Flaschen im Chemikalienschrank springen
und die Fliegen von der Decke fallen.
    Hans Pfeiffer ist inzwischen mit der
Abmontierung seines Spitzbauches fertig; er lächelt wie ein Knäblein in der
Wiege und läßt das Donnerwetter über sich ergehen wie einen sanften
Regenschauer, der am Gummimantel herunterläuft.
    Der Direktor ist zu Ende. Teils mit dem
Atem, teils mit dem Vokabularium. Aber es war eine pädagogische
Spitzenleistung.
    „Darf ich noch etwas bemerken?“ fragt
Hans bescheiden.
    „Sie halten den Mund!“
    „Darf ich noch etwas bemerken?“
    „Scheren Sie sich nach Hause. Sonst
hole ich die Polizei.“
    „Das wäre sehr unfreundlich von Ihnen,
Herr Direktor, um nicht zu sagen, undankbar. Wo ich Ihnen doch so nett aus der
Patsche geholfen habe.“
    „- ? ?“
    „Sie haben mich doch darum gebeten.
Durchhalten, lieber Pfeiffer, haben Sie gesagt. Spielen Sie das Theater weiter,
haben Sie gesagt. Lassen Sie mich nicht im Stich, haben Sie gesagt, der
Oberschulrat darf nichts merken. Ich habe Sie nicht im Stich gelassen. Ich habe
weitergespielt. Und der

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