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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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mich vor dem falschen Priester gewarnt. Vor dem falschen Priester!« wiederholte Marie und sah ihren Verlobten kampflustig an.
    »Ja, Marie vor dem falschen Priester«, sagte Lartigue sanft. Er stand vor dem Tisch und begann die Dokumente zu sammeln, die dort herumlagen. »Ich habe heute Urlaub verlangt – und ich denke, in acht Tagen können wir in die Schweiz fahren. Und von dort versuchen wir dann, diese Blätter«, er klopfte auf die Papiere, »zu verwerten...«
    Schweigen. Langes Schweigen.
    »Und den Vater?« fragte Marie.
    »Den nehmen wir mit. Glauben Sie, daß er in der Schweiz... Ich meine... verstehen Sie... ich möchte nicht, daß...«
    Studer unterbrach das mühselige Stottern.
    »Man wird ihn«, flüsterte er dem Manne zu, der Postenchef, Arzt, Veterinär, Viehhändler, Stratege und Boxer war, aber trotzdem schüchtern sein konnte und unbeholfen, »man wird ihn wohl in ein Spital tun...« Lartigue nickte. Und Studer fuhr fort: »Sie könnten mir nicht ein Paar marokkanische Sennenhunde auftreiben?«
    »Marokkanische... Sennenhunde... ?« Der Capitaine blickte den Wachtmeister an, als ob er an dessen Vernunft zweifle.
    »Gibt's das nicht?«
    »Nei... nei... ein. Soviel ich weiß...«
    »Dann bringen wir dem ›Alten‹ eben Ihren schottischen Terrier mit.«
    »Dem Alten? Welchem Alten?«
    »Eh«, meinte Studer ungeduldig, »unserem Polizeidirektor.«
    Nach dem Nachtessen saßen die beiden Männer auf der Terrasse des Turmes.
    »Glauben Sie nicht«, fragte Studer, »daß die ganze Geschichte doch einmal auskommt? Und die Rolle, die Sie dabei gespielt haben?«
    Lartigue kicherte leise. Dann – und Studer traute seinen Augen nicht – streckte er die flachen Hände aus, die Handflächen nach oben, ein Heben der Arme, die Hände drehten sich und fielen klatschend auf die Schenkel zurück. Die rechte Hand löste sich, zur Faust war sie geballt und nur der Zeigefinger ragte auf, einsam und gerade. Der Finger berührte die Lippen, wies nach oben. Und Studer verstand die dumpf gemurmelten Worte:
    »Was sorgst du dich, Bruder, über das, was kommen wird? Wolltest du bedenken, was die Zukunft dir bringen kann – verzweifeln müßtest du. Er aber, der Ewig-Schwelgende, kümmert er sich um Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft? Er, dem die Ewigkeit gehört?«
    Auf der Ebene, die zwischen dem Posten lag und dem Ksar, bewegte sich ein kleiner Trupp langsam vorwärts. Trommeln dröhnten dumpf herüber. Pater Matthias, der »falsche Priester«, wie ihn Marie genannt hatte, wurde dort zu Grabe getragen...
    Aus dem Zimmer kam eine leise Stimme:
    »Mußt nicht denken, Meitschi, daß ich dir zur Last fallen will. Mußt das nicht denken...«
    »Aber nein, Vater«, sagte Marie.
    »Kommen Sie«, des Capitaines Stimme war heiser, »wir wollen den dort«, er wies auf die Ebene, »zur Korkeiche begleiten. Schließlich hat er das Geld ja nicht für sich gewollt.«
    Und Studer war einverstanden. Da er zu frieren vorgab, bat er den Capitaine um einen Mantel. Er bekam eine resedagrüne Capotte aus dickem Stoff und mit weißem Leinen gefüttert; die Aufschläge am Hals trugen das Abzeichen der Fremdenlegion: die rote Granate, aus der Flammen schlagen. Studer zog den Mantel mit Befriedigung an: so konnte er einmal vor seinem Tode die Uniform tragen, von der er so oft geträumt hatte in Bern, an den Tagen, da ihm alles verleidet gewesen war...

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