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Die Fieberkurve

Die Fieberkurve

Titel: Die Fieberkurve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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konnte man diese Töne nicht nennen... Noch einen Blick warf der Wachtmeister in die Zelle und er sah, daß der Mann wieder ein Päcklein Karten in der Hand hielt. Er mischte, hob ab – mit der linken Hand – nahm drei Karten, warf zwei beiseite, nahm wieder drei Karten, sonderte eine ab... Studer ließ sich auf die Fersen plumpsen und schlich davon. Er trat aus dem Tor. Weit breitete sich die Ebene aus, rechts senkte sie sich und dort standen Bäume – keine Palmen. Ihr Laub schimmerte silbern.
    Jemand stieß ihn in die Seite. Und wieder erschrak der Wachtmeister... Aber es war nur die Gazelle des Capitaine, die spielen wollte. Studer streichelte den winzigen Kopf, die Schnauze des Tieres war feucht und kühl. Warum werd ich so schreckhaft? fragte er sich. Sonst bin ich's doch nie gewesen. Warum jetzt? Weil ich allein bin? Weil eigentlich auf niemanden Verlaß ist?
    Einen Augenblick dachte er daran, den Posten ohne Abschied zu verlassen. Mochten sie da drinnen sehen, wie sie z'Schlag kamen... Er hatte sein Möglichstes getan. Schließlich war er nicht verpflichtet, mit falschen Pässen in der Welt herumzureisen und sich die unmöglichsten Namen anhängen zu lassen, nur um dem Heimatkanton ein paar Millionen zuzuschanzen. Würde man ihm Dank wissen? B'hüetis! Dank würde der »Alte« einheimsen! Den würde man feiern, weil er die Wichtigkeit des Falles erkannt und seine Dispositionen getroffen hatte!
    Dispositionen getroffen! Aber äbe äbe... Ein Wachtmeister war weiter nichts als ein »ausführendes Organ!« – Und wenn er hundertmal die ganze Arbeit getan hatte – er war und blieb ein »ausführendes Organ«, das seine Pflicht erfüllt hatte. Weiter nichts. Für sechshundert Franken im Monat – und die Spesen wurden auf den Rappen nachkalkuliert! Wehe, wenn man zuviel berechnet hatte, wehe, wenn man hätte sparen können und es nicht getan hatte!... Studer hatte es erlebt, daß ihm einmal ein Schnellzugszuschlag Basel – Bern nicht ausbezahlt worden war. »Ein Personenzug hätte es auch getan!« hatte es damals geheißen. Item... Es gab schöne Büchli, die hießen: »Ohne Kampf kein Sieg«. Die Schreiber hatten es gut: sie erfochten ihre Siege am Schreibtisch. Und jetzt mußte man in der Offiziersmesse zu Mittag essen. Und nachher...
    Capitaine Lartigue stellte vor: Leutnant Mauriot, Leutnant Verdier. Marie saß zwischen dem Capitaine und Pater Matthias. Der Inspektor Joseph Fouché, so war er vorgestellt worden, hockte zwischen den beiden Leutnants.
    Die Messe war ein langer Raum und lag in der Baracke, in der Studer geschlafen hatte. Schweigend wurde die Suppe ausgelöffelt. Dann gab es Oliven und Schnaps. Auf einer großen Platte wurde ein ganzes Lamm aufgetragen, garniert mit Pfefferfrüchten und Tomaten – die Ordonnanz mit dem Rübezahlbart servierte. Dann schenkte der Langbärtige die Gläser voll. Capitaine Lartigue stand auf und ließ die Krankenschwester hochleben, deren Anwesenheit wie Arznei auf die Mannschaft wirke. Alle standen auf, leise klingelten die Gläser... Und in das Klingeln hinein stampften näherkommende Tritte. Ein kurzes Kommando. Die Tür wurde aufgestoßen: ein Korporal, gefolgt von vier Mann, betrat den Raum. Die fünf Mann kamen näher – nur schweres Atmen war zu hören. Plötzlich knallten zwei Schüsse, ein Handgemenge, der Tisch fiel um, drei Körper wälzten sich am Boden...
    Pater Matthias war in eine Ecke geflohen. Er stand dort und versteckte sein Gesicht in den Händen. Dann war Maries Stimme zuhören: »Louis... Gib mir eine Zigarette...«
    Die drei, die auf dem Boden herumturnten, standen auf. Capitaine Lartigue sagte:
    »Abführen!«
    Und Wachtmeister Studer, die Hände auf dem Rücken gefesselt, wurde zur Tür hinausgetragen. Leutnant Mauriot bückte sich und hob zwei Browningpistolen auf. »Ein gefährlicher Mann«, sagte er.
    »Ja«, meinte Capitaine Lartigue und ließ sein Feuerzeug aufschnappen, um Maries Zigarette anzuzünden. »Ich hatte gehofft, die Überraschung werde am besten während des Essens gelingen. Aber der Mann war auf seiner Hut. Nur gut, daß ich die Geschicktesten ausgesucht habe... Ist niemand verletzt? Auch Sie nicht, mein Vater?«
    »Nein! Nein!« sagte eine Stimme aus der Ecke.
    »Siehst du Onkel Matthias, daß ich recht gehabt habe«, meinte Marie, als der Pater wieder neben ihr saß. »Ich habe dir immer gesagt, du solltest dem Manne nicht trauen. Er ist ein Spion und reist mit einem falschen Paß.«
    »Ich .. .«, antwortete der

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