Die Finsternis
werde, solange deine Familie nicht wieder beisammen ist … auch wenn ich kein Teil mehr von ihr bin.«
»Du bist ein Teil unserer Familie«, versicherte ich ihr und ignorierte den pochenden Druck hinter meinen Augen und dass sich mir die Kehle zusammenschnürte. »Ich wollte doch nur …«
»Ist schon gut.«
»Ich wünsche mir, dass du wieder bei uns wohnst. Das weißt du doch.«
Sie schenkte mir ein schwaches Lächeln. »Weil Zoe keine Schiffswracks mit dir erkunden möchte?«
»Und aus Millionen anderen Gründen.«
»Genau deshalb soll Pretty mich hypnotisieren – damit ich wieder unter Wasser leben kann. Und damit ich, egal wohin ich gehe, nie wieder einen Geist sehen muss.«
Was sollte ich da sagen? Es war ihre Entscheidung, auch wenn ich Pretty nicht einmal zugetraut hätte, eine Hypnose bei einem Goldfisch durchzuführen.
»Würdest du im Raum bleiben, während er es tut?«, fragte sie.
»Du wirst mich nicht davon abhalten können.«
Sie lächelte traurig. »Sorg dafür, dass er mir keine zusätzlichen Verrücktheiten in den Kopf setzt, okay?«
19
»Wir werden die Hardluck Ruinen bei Tagesanbruch erreichen«, sagte Shade zu den Outlaws, als wir zurück in den Gemeinschaftsraum kamen. »Aber wir werden sie nicht vor Sonnenuntergang betreten.«
»Kann mich Pretty jetzt hypnotisieren?«, fragte Gemma.
»Zuerst musst du die nassen Sachen loswerden«, sagte Shade und sah dann zu Trilo hinüber. »Gib ihr irgendwas zum Anziehen von dir.«
Trilo machte ein finsteres Gesicht und strich über die Amulette um seinen Hals.
»Ich sage es nicht noch einmal«, warnte ihn Shade.
Ich warf Eel, der im Schneidersitz auf dem Tisch saß und an Haitrockenfleisch knabberte, einen fragenden Blick zu.
»Trilo glaubt, es bringe Unglück, ein Mädchen an Bord zu haben«, erklärte Eel belustigt.
Trilos Miene wurde noch finsterer, als Kale ihm eine Hand auf den Rücken legte und freundlich sagte: »Oder wir geben ihr die Sachen, die du anhast.«
Trilo schüttelte Kales Hand ab und funkelte ihn böse an. Doch als Shades Blick ihn traf, riss er sich zusammen. »Okay, mach ich«, sagte er scheinbar unbeteiligt.
»Und du überlässt ihr deine Koje«, wandte sich Shade an Pretty.
Obwohl sein Gesicht keinerlei Emotionen zeigte, war es offensichtlich, wie sehr es in Pretty brodelte. »Wieso ausgerechnet meine?«
»Du bist der Sauberste von allen. Außerdem wirst du auf Gemma aufpassen, solange sie an Bord ist. Sollte ihr irgendetwas zustoßen, bist du dran.«
»Ich kann auf mich selbst aufpassen«, fuhr Gemma verärgert dazwischen.
Shade lächelte. »Du kannst es gern versuchen.«
»Sie kann meine Koje haben«, bot Eel an.
»Die Koje, die so schlimm stinkt, dass nicht einmal du darin schlafen willst?«, fragte Kale angeekelt.
»Wenn ich die dreckigen Klamotten und die Seeigelschalen wegräume, ist es bestimmt gleich besser.«
»Warum soll ich auf sie aufpassen und nicht er?« Pretty hob sein Kinn in meine Richtung.
»Wenn diese Vollidioten sich danebenbenehmen, denkst du, sie hören dann auf ihn, wenn er ›Hört auf damit!‹ ruft?«
»Pretty sagt gar nicht erst ›Hört auf damit!‹«, beklagte sich Trilo. »Er wirft einfach ein Messer nach deinem Kopf und nennt das eine Warnung.«
»Das zeigt wenigstens Wirkung«, erwiderte Pretty trocken.
Nachdem Gemma sich ein Hemd und eine Hose von Trilo angezogen hatte, war sie in den Gemeinschaftsraum zurückgekommen. Shade hatte alle rausgeschickt außer mir, Pretty und Eel. Gemma saß mit geschlossenen Augen auf einem Stuhl und Pretty stand ein paar Schritte hinter ihr. Eel gab mir zwei Ohrstöpsel.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich will hören, was er sagt.«
Er wollte protestieren, doch Pretty unterbrach ihn. »Es wird bei ihm keine Wirkung zeigen, solange er sich der Sache bewusst ist und sich dagegen wehrt.«
»Haben die Wachleute in Seablite versucht, sich dagegen zu wehren?«, fragte ich. Nach Prettys überraschtem Blick fügte ich hinzu: »So seid ihr doch entkommen, oder? Du hast sie hypnotisiert, sodass sie zwanzig Minuten geschlafen haben.«
»Das war ein Teil des Fluchtplans«, gab er zu.
»Können wir endlich weitermachen?«, fragte Gemma. Plötzlich drückte sie die Hände auf die Ohren. »Was war das?«
Ich hatte nichts gehört.
Pretty schien überrascht zu sein. »Du kannst es hören?«
»Dieses vibrierende Geräusch? Ja, ihr nicht?«
Eel zog die Stöpsel aus den Ohren. »Wovon redet ihr?«
Gemma legte erneut die Hände auf die Ohren und
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