Die Finsternis
sein, dass es dann unmöglich wurde, sich daran festzuklammern. Ich entschied mich dafür zu helfen.
Immer mehr Menschen strömten nun aus der Luke. Trotz der Umstände blieben sie ruhig. Diejenigen, die schwimmen konnten, blieben neben dem Netz und halfen den Kletternden beim Aufstieg.
Ich überwand mich, mit meinem Sonar noch einmal nach Ratter zu sehen, und beobachtete, wie er von seinem U-Boot mitgezogen wurde, bis es in einen Berg aus Schrott krachte und daran herabrutschte, bis es gefährlich wippend auf einem Wrackteil zu liegen kam. Warum löste er nicht seinen Tauchgürtel? Dann wäre er frei. Doch an diesem Punkt scheiterte Ratter, der immer noch vergeblich versuchte wegzuschwimmen. Das U-Boot rutschte quälend langsam weiter an dem Wrackteil ab, zog Ratter dabei mit sich, bis er unter den Bootsrumpf gezerrt wurde – zerquetscht von seinem eigenen U-Boot.
29
Während die letzten Surfs am Fischernetz hinaufkletterten, schickte ich gerade noch rechtzeitig ein paar Klicks zum Meeresboden hinab und sah, wie die Drift weit unter uns auf den Schrotthaufen aus Wracks krachte, umkippte und direkt auf Ratters U-Boot landete. Ich wandte mich ab und schwamm an die Oberfläche. Ich schämte mich für den plötzlichen Drang zu jubeln.
Über mir baumelten Beine, wohin das Auge reichte – doch sie machten keine Schwimmbewegungen –, sie schaukelten einfach in der Strömung wie Ranken aus Seegras. Ein beunruhigender Anblick, denn sie wirkten so verwundbar.
Die Meeresoberfläche erschien mir seltsam ruhig, wenn man bedachte, dass ich von Hunderten Menschen umgeben war. Doch sie waren einfach zu schwach, um mehr zu tun, als sich in ihren Rettungswesten treiben zu lassen. Ich brauchte eine Weile, um Gemma unter ihnen ausfindig zu machen. Sie hing am Puffer des Skimmergehäuses. Die beiden Personen, die im Inneren hockten, waren alt und gebrechlich – nicht meine Eltern.
Ich schwamm auf Gemma zu.
»Sie sind da drüben«, sagte sie, ohne meine Frage abzuwarten. »Sie versuchen, das Signal der Boje zu verstärken.«
Ich entdeckte die Lichter an ihren Helmen – abgesehen vom Mond die einzige Beleuchtung weit und breit. Die aufgebrochene Boje trieb zwischen ihnen. Wenn irgendjemand in der Lage war, das Signal zu verstärken, dann Dad.
»Verstärken« – bei diesem Wort musste ich an Ratter denken und wie ich meine Dunkle Gabe »verstärkt« hatte. Mein Herz begann heftig zu schlagen und plötzlich verstand ich, wie Zoe sich fühlte, wenn sie fürchtete, jemanden ernsthaft zu verletzen. Kein Wunder, dass sie aufgehört hatte, ihre Dunkle Gabe zu benutzen.
Ich bereute es nicht, dass ich Ratter betäubt hatte, er hatte mir keine andere Wahl gelassen. Aber es beunruhigte mich, dass ich nicht wusste, wie sehr ich einer Person wirklich schaden konnte. Es fühlte sich an, als ob ich eine entsicherte Harpunenkanone auf dem Rücken festgeschnallt hätte, die jederzeit losgehen konnte.
Mit einem Mal kam es mir seltsam vor, dass nur Gemma und ich uns am Skimmergehäuse festhielten, und ich fragte sie nach dem Grund. »Hat Dad ihnen gesagt, dass sie sich nicht festhalten sollen?«
Gemma drückte die Plexiglasscheibe ihres Helms gegen meinen, sodass sie leise sprechen konnte. »Ria hat ihnen aufgetragen, Abstand zu halten. Sie will nicht, dass das Gehäuse durch das zusätzliche Gewicht untergeht.«
»Ria?«
Sie nickte in Richtung eines Mädchens, das etwas entfernt im Wasser trieb. Ihre Schwimmweste war an den Schultern hochgerutscht.
»Dein Vater hat sie überredet, dass die beiden sich in den Skimmer setzen dürfen.« Gemma deutete mit dem Kopf zu den zwei alten Surfs. »Ria war der Meinung, dass dieser Platz allein deinen Eltern gebührt.«
Obwohl ich nur das Profil des Mädchens sehen konnte, das gerade zu einer Gruppe verzweifelter Surfs sprach, wusste ich, dass es das Mädchen war, mit dem ich durch das Fenster der Drift kommuniziert hatte.
»Ist das Hadals Tochter?«, fragte ich.
Gemma nickte.
»Hast du ihr erzählt, was mit ihrem Vater passiert ist?«
»Sie schwimmt die ganze Zeit umher und versucht, den anderen Mut zu machen. Ich glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, das zu erwähnen.« Auch wenn ihre Worte ein wenig ironisch klangen, war ihr Gesicht todernst.
»Gute Entscheidung.«
»Ty!«, hörte ich meine Mutter rufen. Ich schloss die Augen, um den vertrauten Klang ihrer Stimme zu genießen. Ich hatte die Hoffnung nie ganz aufgegeben, dass sie noch am Leben waren. Trotzdem machte
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