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Die Finsternis

Die Finsternis

Titel: Die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Falls
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waren, und dem meergrünen Kaftan, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, konnte sie für eine Meerjungfrau gehalten werden. Obwohl ich noch nie eine mit Sommersprossen gesehen hatte …
    »Du weißt, dass es ganz schön gemein ist, Jibby an der Nase herumzuführen«, sagte ich und brachte damit das Thema zur Sprache, das mir schon die ganze Zeit unter den Nägeln brannte. »Es sei denn, deine Gefühle ihm gegenüber haben sich geändert.«
    Sie lächelte. »Nö, ich bin immer noch nicht bereit, ihn zu heiraten.«
    »Warum willst du dann mit ihm zu diesem Boxkampf gehen? Nur um Shade zu sehen?«
    »Ja«, sagte sie schnell. »Genau deshalb.«
    Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Er war ihr Bruder und es leuchtete ein, dass sie ihn sehen wollte. Ich konnte auch nicht vergessen, dass sie vor vier Monaten lieber zu Shade auf die Specter , das U-Boot seiner Gang, gezogen wäre. Sie hatte nur zugestimmt, bei uns zu wohnen, weil er sie abgewiesen hatte.
    »Deine Eltern kommen bestimmt jeden Augenblick herein, um uns zu sagen, dass es spät geworden ist.«
    »Wahrscheinlich«, stimmte ich ihr zu. »Wir sind bei Tagesanbruch mit der Drift verabredet und ich muss vorher noch den Anhänger holen. Möchtest du mitkommen?«
    »Sicher«, sagte sie bewusst lässig.
    »Du musst auch nicht aus dem Boot aussteigen.«
    »Das ist es nicht.« Sie machte eine Pause. »Na ja, das ist es doch. Aber eigentlich habe ich gerade daran gedacht, dass ich nicht noch ein Township in diesem Müllstrudel finden will. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass du dir hier unten schon mit der Hälfte des Geldes ein Stück Land abstecken kannst.«
    »Ja, wenn ich volljährig bin.« Dass wir die Nomad gefunden hatten, brachte mich zweifellos der Verwirklichung meines Traums wieder ein Stück näher. Seit der Staatenbund die Eigenheimförderung abgeschafft hatte, war er in fast unerreichbare Ferne gerückt. Weil die Surfs auf der Nomad kaltblütig ermordet worden waren, hatte ich mich nicht gerade darüber freuen können, einen so wertvollen Fund gemacht zu haben. Doch jetzt, da das herrenlose Township nicht mehr in unmittelbarer Nähe dunkel und still auf dem Wasser schaukelte, breitete sich eine angenehme Wärme in mir aus. Mein eigenes Land. Fünfundzwanzig Hektar unterseeisches Gelände – traumhaft schön und von Meerestieren nur so wimmelnd.
    »Es muss schön sein, genau zu wissen, was man will«, grübelte sie laut.
    »Anders ginge es gar nicht«, erwiderte ich. »Ich könnte oben eingepfercht in eine Schachtelstadt mit Millionen anderen Menschen und ohne Natur nicht überleben.«
    »Da hast du vollkommen Recht. Du würdest vermutlich vor Langeweile sterben, weil es dort keine grässlichen Ungeheuer gibt, die dich fressen wollen.« Sie stand von meinem Bett auf und ihr Lächeln verschwand. »Ich komme morgen mit, obwohl ich es wahrscheinlich bereuen werde.« Sie beugte sich vor und umarmte mich kurz.
    »Gute Nacht«, sagte ich und versuchte, so locker wie möglich zu klingen. Sie sollte nicht merken, dass mein Puls bei ihrer Berührung sofort nach oben geschossen war.
    »Ach und übrigens«, rief sie mir über die Schulter zu, als sie schon auf dem Weg zu Zoes Zimmer war, »du leuchtest.«
    Wir waren von dichtem Nebel umgeben, der die Meeresoberfläche gespenstisch erscheinen ließ. Erst bei Sonnenaufgang würde sich der Nebel verflüchtigen. Bis dahin wagte ich es nicht, den Kreuzer zu beschleunigen, aus Angst, auf das überschwemmte Atoll aufzufahren, das unser Ziel war. Wir mussten uns schon fast auf der richtigen Position befinden.
    Ich stieß die Luke auf und stellte mich auf den Pilotensitz, um einen besseren Ausblick zu haben. »Die Drift sieht aus wie ein riesiges portugiesisches Kriegsschiff mit einer blau-lila Kuppel aus Plexiglas«, erklärte ich Gemma, die erstaunlicherweise zum zweiten Mal in nur zwei Tagen ihren Taucheranzug trug.
    »Ich kann in diesem Nebel gar nichts erkennen«, sagte sie.
    Ich schickte eine Reihe Klicks in den Dunst – die hohen Frequenzen waren für Gemma nicht zu hören – und betrachtete die Bilder, die das Echo in meinem Kopf formte. Direkt vor uns konnte ich das Atoll mit dem auf Grund gelaufenen Transportschiff ausmachen, das mit jeder Welle knarrte. Aber ich sah kein Township, was seltsam war. Wir waren auf keinen Fall zu spät.
    »Vielleicht ist es untergetaucht.« Gemma streckte den Kopf neben mir aus der Luke.
    »Das glaube ich kaum.« Ich wusste, dass die Surfs an Bord der Drift Fischer und

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