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Die Finsternis

Die Finsternis

Titel: Die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Falls
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hatte. Kurz danach hatte dieser Teil sich vom Oberdeck gelöst und war gesunken. Fairerweise musste man sagen, dass Shade nicht gewusst hatte, dass die untere Station leckgeschlagen war. Uns in eine Falle zu locken und ohne Fahrzeuge oder Liquigen zurückzulassen, war dennoch nur ein weiterer Punkt auf der langen Liste seiner gefährlichen Aktionen, die auch den Überfall auf das Haus unserer Nachbarn mit einschloss. Er war rücksichtslos, bedrohlich und rachsüchtig – warum sollte jemand ihn vermissen? Aber sie tat es eindeutig.
    »Klar, behalt den Flyer«, sagte Jibby. »Heißt das, dass du hingehen willst?« Als sie ihm nicht gleich antwortete, fügte er hinzu: »Wir könnten Shade eine Nachricht zukommen lassen. Damit er weiß, dass du am Ring sein wirst.«
    Nachdem sie bei der bloßen Erwähnung ihres Bruders förmlich aufgeblüht war, verstand ich nicht, warum sie jetzt zögerte. Dann bemerkte ich, dass sie ihren Blick auf mich gerichtet hatte. Dachte sie, ich würde sie verurteilen, weil sie Shade wiedersehen wollte? Nur weil ich ihn oder seine Gang nicht ausstehen konnte, bedeutete das noch lange nicht …
    »Das würde ich sehr gern, Jibby«, sagte sie plötzlich. »Ich möchte Richard wiedersehen. Ich meine Shade«, korrigierte sie sich.
    Ich machte mich auf den Weg zum Kreuzer, ich wollte auf der Stelle im Meer verschwinden. Während ich die Halteleine löste, trafen sie ihre Verabredung. Eine Minute später lief Jibby zu seinem U-Boot und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sein Schritt besonders beschwingt war.
    Gemma trat zu mir an die Anlegestelle. Es war an der Zeit, Gute Nacht zu sagen, doch der Gedanke, sie hier allein zurückzulassen, war so schmerzhaft wie Salzwasser in einer Schnittwunde. »Bist du sicher, dass du die Nacht nicht bei uns verbringen möchtest? Zoe vermisst dich mehr, als du dir vorstellen kannst.«
    Als sie zögerte, ergriff ich noch einmal die Gelegenheit. Ich zeigte auf das herrenlose Township, das mit jeder Woge gegen den Anlegering stieß. »Ich mache mir einfach Sorgen um dich, wenn du hier übernachtest, während eine Geisterstadt direkt neben deinem Fenster festgemacht ist …«

5
    »Es gibt viele Leute, die schlechte Erfahrungen beim Tauchen gemacht haben«, sagte ich, als wir auf den schimmernden Blasenzaun zusteuerten, der unser Haus auf dem Meeresgrund umgab. »Doch dann versuchen sie es noch einmal und …«
    »Ich habe es noch mal versucht«, fuhr Gemma dazwischen. »Und noch einmal. Es ist auf jeden Fall mehr als nur eine schlechte Erfahrung.«
    Der Kreuzer stieß durch den dichten Strom aus Luftblasen und glitt dann in das blassgolden schimmernde Wasser auf der anderen Seite. Die Begrenzungsleuchten rund um das Grundstück meiner Familie wurden langsam dunkler, um die Abenddämmerung zu simulieren.
    »Was ist es dann?« Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mir irgendetwas verschwieg. Ich steuerte das U-Boot auf unser Haus zu, das wie eine überdimensionale Qualle über unseren Seegras- und Seetangfeldern schwebte.
    »Ich …« Sie hob eine Hand und winkte ab, als wäre jede Erklärung zwecklos – als würde ich es sowieso nie verstehen. »Das Meer ist voll von furchterregenden Dingen«, sagte sie schließlich.
    »Wie den Roten Teufeln.«
    Wenn ich heute einfach im Boot geblieben wäre, hätte sie die Tintenfische gar nicht erst zu Gesicht bekommen und kein weiteres »furchterregendes Ding« zu ihrer Liste hinzufügen müssen. Würde ich nun versuchen ihr weiszumachen, dass es im Meer sicher sei, könnte ich genauso gut von ihr verlangen, an Meerjungfrauen zu glauben. Das Meer war voller Raubtiere, die Menschen als Beute betrachteten, und es gab genügend Ungetüme, die einen Menschen mit einem einzigen Biss, Stich oder Hieb töten konnten.
    »Diese schrecklichen Tintenfische gehören auf jeden Fall dazu«, stimmte sie mir schaudernd zu. »Doch die sind längst nicht die Schlimmsten.«
    Ich nickte, denn ich wusste, dass sie Angst davor hatte, von einem Hai gefressen zu werden, obwohl ich ihr versichert hatte, dass so etwas nicht sehr häufig vorkam. Sie hatte nur erwidert, dass das »nicht gerade beruhigend« sei.
    »Doch wenn ich das hier alles sehe …«, sagte sie, während sie den Blick über die grünen Felder schweifen ließ und den Schwarmfischen zusah, die wie juwelenfarbene Wirbelstürme auseinanderstoben oder völlig synchron dahinglitten. »Wie sehr vermisse ich es, hier zu sein.«
    Gut , dachte ich.
    Ich war froh, dass Gemma zugestimmt

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