Die Flamme erlischt
hinter ihr und flog etwas höher, damit er ihr über die Schulter sehen konnte. Der Tunnel, den sie sich ausgesucht hatten, beschrieb eine lange sanfte Kurve und krümmte sich kaum merklich nach links. Es gab nichts zu sehen, das eine Unterhaltung gerechtfertigt hätte. Manchmal verlor Dirk völlig das Gefühl, sich zu bewegen, so gleichmäßig und eintönig verlief ihr Flug. Dann wiederum spürte er überdeutlich, daß er und Gwen in einem zeitlosen Gefängnis dahintrieben, während die Wände unablässig vorüberkrochen. Aber schließlich, als sie sich gut drei Kilometer von Challenge entfernt hatten, landeten sie auf dem Tunnelboden. Bis dahin hatte keiner von beiden etwas gesagt. Gwen lehnte die Taschenlampe gegen die grob behauene Wand. Sie setzten sich in den Staub und öffneten ihre Stiefel. Schweigend legte sie die Geländeausrüstung ab und benutzte den Packen als Kopfkissen. Kaum hatte sie den Kopf darauf gelegt, da war sie auch schon eingeschlafen. Er war allein. Sie hatte ihn verlassen.
Obwohl seine eigene Müdigkeit zunahm, war es Dirk unmöglich, sofort einzuschlafen. Stattdessen setzte er sich an den Rand des kleinen, blassen Lichtkreises – Gwen hatte die Lampe nicht ausgeschaltet – und sah sie an. Er beobachtete das regelmäßige Heben und Senken des Brustkorbes, das Spiel der Schatten auf Wangen und Haar, wenn sie sich im Schlaf bewegte. Ihm fiel auf, wie weit entfernt sie von ihm lag, und er erinnerte sich daran, daß sie sich seit Challenge nicht mehr berührt oder miteinander gesprochen hatten. Aber seine Gedanken waren zu sehr von Angst umnebelt, als daß er sich auf diese Tatsache konzentrieren konnte. Das besorgten schon seine Gefühle für ihn. Auf seiner Brust lastete ein schweres Gewicht, und auch die Dunkelheit in dieser staubigen Höhle unter der Oberfläche des Planeten bedrückte ihn stark. Schließlich knipste er die Lampe aus und mit ihr seine Sicht auf Jenny. Er versuchte zu schlafen, was ihm auch nach einiger Zeit gelang. Aber der Schlaf brachte Alpträume mit sich. Er träumte, mit Gwen zusammen zu sein, sie eng umschlungen zu halten und sie zu küssen. Aber als seine Lippen die ihren berührten, war es plötzlich nicht mehr Gwen. Es war Bretan, den er küßte. Bretan, dessen Lippen trocken und hart waren, dessen Glühsteinauge in der Finsternis scheußlich nahe funkelte. Und danach rannte er wieder. Es ging endlose Tunnel entlang, in das Nichts hinein. Aber hinter sich hörte er Wasser rauschen, und als er über die Schulter blickte, glaubte er einen einsamen Kahnfahrer zu sehen, der seinen leeren Lastkahn voranstakte. Der Kahn glitt auf öligem, schwarzem Wasser dahin, und Dirk lief über trockenes Gestein -aber das schien im Traum keine große Rolle zu spielen. Er rannte und rannte, aber der Kahn kam immer näher, und endlich konnte er sehen, daß der Kahnfahrer kein Gesicht hatte, überhaupt kein Gesicht. Danach folgte nichts mehr, und auch später konnte sich Dirk an keinen weiteren Traum erinnern.
Wo kein Licht sein konnte, schien ein helles Licht. Es drang selbst durch seine geschlossenen Augenlider und seinen Schlummer: ein schaukelnder, gelbstrahlender Kreis, ganz nahe, dann wieder weiter weg. Als es sich zum erstenmal in seinen sauer verdienten Schlaf drängte, kam es Dirk nur undeutlich zu Bewußtsein. Er murmelte etwas und rollte sich weg. Neben ihm tuschelten Stimmen, und jemand lachte kurz und hell auf. Dirk ignorierte alles.
Dann traten sie ziemlich brutal nach ihm, mitten ins Gesicht. Sein Kopf flog zur Seite, und der gnädige Schlaf machte verschwommenem Schmerz Platz. Verwirrt und ohne Orientierung rappelte er sich zu einer sitzenden Haltung auf. Seine Schläfe pochte. Alles war viel zu hell. Er riß den Unterarm vor das Gesicht, um sich vor dem Licht und weiteren Tritten zu schützen. Wieder ein Lachen. Langsam nahm die Welt Formen an.
Natürlich waren es Braiths. Einer von ihnen, ein dünner, knochiger Mann mit schwarzem Kraushaar, stand auf der anderen Seite des Tunnels und hielt Gwen mit einer Hand fest. In der anderen trug er eine Laserpistole. Ein weiterer Laser, ein Gewehr, baumelte von seiner Schulter herab. Gwens Arme waren auf dem Rücken zusammengebunden. Sie stand schweigend und mit gesenktem Kopf da.
Der über Dirk stehende Braith hatte seinen Laser nicht gezogen, sondern hielt eine starke Handlampe in der Linken, die den U-Bahn-Tunnel mit gelbem Licht füllte. Der gleißende Licht machte es Dirk schwer, den Mann genau zu erkennen. Aber er
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