Die Flamme erlischt
es aus, bitte begreife das. Wenn wir es noch einmal miteinander versuchen, bringen wir uns dadurch um.«
Er seufzte. Sie kam ihm jedesmal zuvor. Während des langen Gesprächs hatte er sie nicht einmal berührt. Er fühlte sich hilflos. »Ich nehme an, Jaan nennt dich nicht Jenny?« fragte er endlich mit bitterem Lächeln. Gwen lachte. »Nein. Als Kavalarin habe ich einen geheimen Namen, mit dem nur er mich ruft. Aber diesen Namen habe ich übernommen, also erwachsen keine Probleme daraus. Es ist mein Name.« Er zuckte nur mit den Achseln. »Dann bist du also glücklich?« Gwen erhob sich und wischte sich den verbliebenen Sand von den Beinen. »Jaan und ich – nun, da ist einiges nicht leicht zu erklären. Einst warst du ein Freund, Dirk, vielleicht mein bester Freund. Aber du warst lange Zeit weg. Dränge mich bitte nicht allzusehr. Im Moment brauche ich einen Freund. Ich rede mit Arkin, und er hört mir zu, aber er kann mir kaum helfen. Er ist zu voreingenommen, blind gegenüber den Kavalaren und ihrer Kultur. Jaan, Garse und ich haben Probleme, wenn du das meinst. Aber es ist schwer, darüber zu reden. Gib mir Zeit. Warte, wenn du willst. Und sei wieder mein Freund.«
Kein Lüftchen bewegte den See im ewigen grauroten Sonnenuntergang. Dirk beobachtete das dick mit Schlieren und Algenräude überzogene Wasser und dachte an den Kanal auf Braque zurück. Dann brauchte sie ihn also doch, überlegte er. Möglicherweise verlief nicht alles so, wie er sich das erhofft hatte. Aber es gab etwas, das er ihr bieten konnte. An diesen Strohhalm klammerte er sich: Er wollte geben, er mußte geben. »Wie dem auch sei«, sagte er beim Aufstehen, »ich verstehe eine ganze Menge noch nicht, Gwen. Zuviel verstehe ich nicht. Mir kommt es so vor, als wäre die Hälfte der Gespräche der letzten vierundzwanzig Stunden einfach an mir vorbeigerauscht. Ich weiß nicht einmal, was ich fragen soll, ich kann es aber versuchen. Ich glaube, ich schulde dir etwas, ich schulde dir aus irgendeinem Grunde etwas.« »Wirst du warten?«
»Und zuhören, wenn die Zeit gekommen ist.«
»Dann bin ich froh, daß du da bist«, sagte sie. »Ich brauchte einen Menschen. Einen Außenstehenden. Du kamst zur rechten Zeit, Dirk. Welch glückliche Fügung.«
Seltsam, dachte er, eine glückliche Fügung zu bestellen. Er sagte jedoch nichts. »Was nun?«
»Jetzt werde ich dir den Wald zeigen. Schließlich sind wir deshalb hergekommen.«
Sie nahmen ihre Himmelsflitzer auf und entfernten sich von dem spiegelglatten See. Vor ihnen wartete der dichte Wald. Sie folgten keinem Pfad, denn das Unterholz stand licht und erschwerte das Vorankommen in keiner Weise. Schweigend, mit hängenden Schultern, die Hände tief in die Taschen versenkt, studierte Dirk die Bäume seiner näheren Umgebung. Nur Gwen sprach, wenn überhaupt gesprochen wurde. Ihre Stimme klang tief und ehrfurchtsvoll wie das Flüstern eines Kindes in einer riesigen Kathedrale. Meistens jedoch zeigte sie nur auf etwas, und er sah in die Richtung ihres ausgestreckten Arms. Die Bäume in der Nähe des Sees waren vertraute Freunde, die Dirk schon tausendmal zuvor gesehen hatte. Denn hier befand er sich im sogenannten Heimatwald, sah Bäume, die der Mensch von Stern zu Stern mitgenommen und auf allen bewohnbaren Welten angepflanzt hatte. Der Heimatwald stammte von Alt-Erde, aber dort zeigte er nicht das gleiche Erscheinungsbild. Auf jedem neuen Planeten kamen weitere Lieblingsbäume und -pflanzen der Menschheit zum Reservoir der exportierten Erdflora hinzu. Wenn sich danach die Sternenschiffe wieder auf ihren Weg machten, trugen sie zusammen mit den zweifach entwurzelten Enkeln der Erde Setzlinge jener Welten mit sich. Auf diese Weise wuchs der Heimatwald. Langsam bewegten sich Gwen und Dirk durch diesen Wald, wie es schon andere auf einem Dutzend anderer Welten immer wieder getan hatten. Sie kannten die Bäume. Ein Zuckerahorn dort, ein Feuerahorn hier, eine falsche und eine echte Eiche, Silbertannen, Giftkiefern und Asten. Die Außenweltler hatten sie hierhergebracht, nachdem deren Vorfahren sie an den Rand verpflanzten, um den Planeten einen Anstrich jener fernen Heimat zu geben, die keiner von ihnen mehr kannte – und vielleicht als Fremde empfunden hätte. Aber hier sahen diese Wälder anders aus. Es war das Licht, stellte Dirk nach einer gewissen Zeit fest. Das so spärlich vom Himmel tropfende Licht, die blaßrote Düsterkeit, die sich als Worlorns Tag ausgab. Das hier war ein Zwielichtwald.
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