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Die Flamme erlischt

Die Flamme erlischt

Titel: Die Flamme erlischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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war es jetzt nicht und war es nie gewesen.
    Zweimal während des Fluges sah Dirk Jade-und-Silber aufblitzen, so quälend, wie es ihm schon im Wald erschienen war. Jedesmal sah er weg und konzentrierte sich auf die schwarzen Wolken, die sich langgezogen und dünn über den trostlosen Himmel erstreckten. Als sie Larteyn erreichten, waren der graue Manta-Luftwagen und die olivgrüne Kriegsmaschine vom Dachlandeplatz verschwunden. Nur Ruarks gelbe Träne schien unberührt. Sie landeten gleich daneben. Dirks Landung glich wiederum einem unbeholfenen Stolpern, mit dem Unterschied, daß es dieses Mal nicht mehr witzig, sondern nur noch dumm wirkte. Sie ließen die Himmelsflitzer und Flugstiefel draußen auf dem Dach, wo man sie abholen würde. Vor den Aufzügen sprachen sie kurz miteinander, aber Sekunden später hatte Dirk die Worte schon wieder vergessen. Dann verließ ihn Gwen. In seinen Räumen, unten im Turm, wartete Arkin Ruark geduldig. Mitten zwischen Skulpturen und eingetopften Kimdissipflanzen fand Dirk einen Liegestuhl vor einer Pastellwand. Er ließ sich hineinsinken und wollte sich nur noch ausruhen und nichts denken, aber Ruark wußte dies zu verhindern. Er gluckste und schüttelte den Kopf, daß sein weißblondes Haar tanzte, und streckte ihm ein hohes, grünes Glas hin. Dirk nahm es entgegen und setzte sich wieder auf. Das Glas war aus feingearbeitetem, dünnem Kristall und bis auf einen schnell schmelzenden Eishauch ohne jede Verzierung. Er trank. Der Wein war tief grün und kalt, ihm war, als würde Weihrauch und Zimt durch seine Kehle rinnen. »Ganz müde sehen Sie aus, Dirk«, stellte der Kimdissi fest, nachdem er sich selbst einen Drink besorgt und sich im Schatten einer welken, schwarzen Pflanze in einen Netzknotensessel hatte plumpsen lassen. Die speerförmigen Blätter warfen Schattenstreifen auf sein rundes, lächelndes Gesicht. Er nippte und schlürfte geräuschvoll an seinem Drink. Einen kurzen Moment lang spürte Dirk Verachtung für ihn. »Ein langer Tag«, sagte er unverbindlich. »Wie wahr«, stimmte Ruark zu. »Ein Tag der Kavalaren ist immer zu lang. Die süße Gwen, Jaantony und schließlich Garsey – sie reichen aus, um einen Tag zur Ewigkeit zu machen. Was meinen Sie?« Dirk sagte nichts.
    »Aber jetzt haben Sie es gesehen«, fuhr Ruark lächelnd fort. »Ich wollte, daß Sie es selbst sehen, bevor ich Ihnen alles erzähle. Denn ich habe mir geschworen, es Ihnen zu erzählen. Gwen hat mir alles gesagt. Wir sprechen freundschaftlich miteinander, müssen Sie wissen, und ich kenne sie und auch Jaan seit der Zeit auf Avalon. Aber hier sind wir uns nähergekommen. Es fällt ihr nicht leicht, darüber zu reden, aber sie spricht mit mir oder besser, hat mit mir gesprochen. Ich kann es Ihnen weitererzählen, ohne daß dies etwas mit Vertrauensbruch zu tun hat. Ich denke, Sie sollten es wissen.«
    Der Drink schickte eisige Finger in seine Brust, und Dirk fühlte, wie sich seine Müdigkeit legte. Ihm kam es so vor, als wäre er im Halbschlaf gewesen und Ruark hätte schon eine ganze Weile geredet, ohne daß er dem Inhalt folgen konnte. »Wovon sprechen Sie?« fragte er. »Was sollte ich wissen?«
    »Warum Gwen Sie braucht«, sagte Ruark. »Warum sie Ihnen dieses ... Ding schickte. Die rote Träne. Wissen Sie es? Ich weiß es. Sie hat es mir gesagt.«
    Plötzlich war Dirk hellwach, aufmerksam und verblüfft. »Sie hat es Ihnen gesagt«, begann er und verstummte. Gwen hatte ihn gebeten zu warten, und vor langer Zeit hatte er es ihr versprochen – aber es paßte. Vielleicht sollte er tatsächlich zuhören, vielleicht fiel es ihr einfach zu schwer, es ihm selbst zu sagen. Ruark würde alles wissen. Im Wald hatte sie ihn als ihren Freund bezeichnet, als den einzigen, mit dem sie reden konnte.
    »Sagen Sie es mir!«
    »Sie müssen ihr irgendwie helfen! Ich weiß aber nicht genau, wie.« »Ihr helfen? Wobei?« »Sich zu befreien. Zu fliehen.«
    Dirk setzte den Drink ab und kratzte sich am Kopf. »Vor wem?« »Vor ihnen: den Kavalaren.«
    Er zog die Stirn in Falten. »Sie meinen Jaan? Ich traf ihn heute morgen, ihn und Janacek. Sie liebt Jaan. Ich verstehe das nicht.« Ruark lachte, nahm einen Schluck aus seinem Glas und lachte abermals. Er trug einen dreiteiligen Anzug mit sich abwechselnden braunen und grünen Quadraten, gescheckt wie ein Narrenkleid. Wie er so dasaß, und Unsinn aus ihm hervorsprudelte, fragte sich Dirk, ob der kleingewachsene Ökologe tatsächlich ein Narr war.
    »Sie liebt ihn. So,

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