0592 - Computer-Monster
Diese Nacht war für Ratkin entscheidend, denn er wußte, daß sie kommen würden, um ihn zu töten.
Die Fakten lagen auf dem Tisch wie die Teile eines Puzzles. Er mußte sie nur noch sortieren, doch so ganz bekam er das Bild nicht zusammen.
Die Anrufe, die Drohungen, das Schmeicheln, die hohen Summen, das alles hatte Nick Ratkin nicht stören können. Auch die härteste Drohung, ihm ans Leben zu wollen, brachte Ratkin nicht aus dem Gleichgewicht. Er versuchte weiterhin den Plan der anderen, den er nicht kannte, zu analysieren.
Dabei kam er sich vor wie ein Autor, der Vorworte zu Geschichten schrieb, die noch gar nicht veröffentlicht waren.
Ratkin dachte logisch. Wann killte man am besten? Tagsüber kaum, also in der Nacht, doch die war lang. Es gab die Zeit vor Mitternacht und die danach. Letztere war für ein Vorhaben wie das des Mörders besser. Da lagen die meisten Menschen im Tiefschlaf, also würden sie bestimmt in den Morgenstunden erscheinen.
Wie viele Killer würden es sein?
Ratkin rechnete. Zu zweit bestimmt, denn sie wollten auf Nummer Sicher gehen. Es war auch möglich, daß sie noch mehr Leute mitbrachten, dieser Clique traute er alles zu.
Wenn die killten, gingen sie nie ein Risiko ein.
Ratkin, so jung er noch war, gerade Anfang Zwanzig, lebte in einem großen Haus allein.
Er hatte es von einem verstorbenen Onkel geerbt und sich über die Bleibe gefreut. Das Haus stand zwar für sich, es war allerdings von einem Park umgeben, der etwas verwildert aussah und höchstens zweimal im Jahr von einem Gärtner durchgeforstet wurde. Für Heckenschützen und Killer bot der Bewuchs eine ideale Deckung, da konnten sich die entsprechenden Typen ungesehen bis dicht an die Hauswand anschleichen.
Nick Ratkin hatte dies alles ins Kalkül gezogen und keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Nur eine hatte er sich nicht nehmen lassen. Er war in das größte Zimmer gegangen und sich um seinen »Darling« gekümmert.
Darling hieß sein Computer. So ein Spitzengerät brauchte er, denn er war ein Hacker der Superklasse. Militärische Geheimnisse des Pentagons und der britischen Abwehr hatte er damit bereits enthüllt. Ein Spion mit Köpfchen, der so leicht nicht zu fassen war.
Das alles hatte ihm Spaß bereitet, aber er war es bald leid geworden. Deshalb hatte er sich ein neues Ziel gesteckt. Verglich man diese Tat mit der des Hackers und Computer-Spion, konnte man darüber nur mehr lachen.
Der bequeme Lederstuhl mit der hohen Lehne und dem Metallgestell paßte sich der Klarheit des Computer-Designs an. Unter Stoff stand die Anlage immer, auch wenn Ratkin sie nicht eingeschaltet hatte und davorhockte.
Für die meisten Menschen war ein derartiger Monitor nicht mehr als ein simpler Bildschirm. Wer ihn so ansah, wäre auch nie auf den Gedanken gekommen, daß dieses Viereck etwas anderes hätte sein können. Aber das stimmte nicht.
Nick Ratkin dachte da anders. Auch er sah offiziell nur die Fläche, doch in ihr und dahinter verbarg sich für ihn eines der größten Rätsel überhaupt. Jetzt eigentlich nicht mehr, denn er hatte es gelöst.
Für ihn war der Computer mehr als nur ein technisches Gerät. Er bedeutete für ihn den Einstieg in eine andere Welt, in völlig fremde Dimensionen. Er gab ihm den Blick frei in Welten, die es normalerweise gar nicht geben konnte, höchstens in der Phantasie einiger Fantasy-Autoren.
Nun ja, sollten sie alle so denken, Ratkin war anderer Meinung.
Der bequeme Stuhl ließ sich in einen Schlafstuhl verwandeln. Ratkin lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
Diese Haltung gehörte zu seinen liebsten Sitzpositionen, da konnte er so herrlich über gewisse Dinge nachgrübeln.
Dabei spielte es keine Rolle, ob es Tag oder Nacht war. Der Blick auf die Uhr zeigte ihm, daß die dritte Morgenstunde bereits angebrochen war. Auch er war keine Maschine und spürte die Müdigkeit, aber er war sicher, daß sich die Killer bereits auf dem Weg befanden. Wenn er recht darüber nachdachte, hatte er eigentlich einen Fehler gemacht, sich einem Freund anzuvertrauen. Mit ihm hatte er in einer schwachen Stunde über gewisse Dinge gesprochen.
Das lag erst kurze Zeit zurück. Da hatte er allerdings noch nicht gewußt, daß dieser Freund – ein Hacker wie er – Angst oder kalte Füße bekommen hatte. Er befürchtete, daß man ihm auf die Spur gekommen war, und so etwas konnte keiner der beiden gebrauchen.
Das Eindringen in andere Systeme war verboten, es gab da eine
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