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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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Klinge wies er Harald Drachenreiter, dem Steuermann am Heck der SEEPFERD den Kurs durch die tückischen Klippen des Fjord. Die MEERMAID und das WALROSS folgten im Kielwasser. Ein einfacher Lederhelm, durch handbreite Metallreifen verstärkt, lag neben den in die landesüblichen Bundschuhe eingeschnürten Füßen des Jarl.
     
    Die Männer in den Schiffen glichen einem beutegierigen Rudel Wölfen, das darauf wartet, dass der Leitwolf den ersten Sprung tut. Wie ihr Jarl waren sie in grobes Leinen und roh gegerbte Felle gekleidet. Nur wenige der Männer trugen eine durch Metallstücke verstärkte Sturmhaube aus Leder über dem flachsblonden Haar, das als Zeichen des freien Mannes bis zu den Schultern herabwallte. Kaum einer der Männer war bartlos, doch hatten die Bärte unterhalb des Kinns kaum mehr als zwei Fingerspannen Länge. Von der Sommersonne getönte Haut umspannte hochgewachsene athletische Körper, die nur aus Muskeln, Sehnen und Knochen zu bestehen schienen. Das raue Leben und die karge Kost sorgte dafür, dass kein überflüssiges Fett unter der straffen Haut gedieh.
     
    Jeder der Männer war bewaffnet, wie es auf einer Wikinger-Fahrt üblich war. Obwohl sich diese Männer allgemein als Männer der nördlichen Wege, als Norweger, bezeichneten, gaben sie sich den Namen Wikinger , wenn sie die Drachenschädel auf den Bug ihrer Schiffe setzten und zur Entdeckung oder zur Eroberung die Meere durchfurchten. Lange Messer schwangen in groben Scheiden aus Holz und Fell. Messer in einer Länge, wie sie andere Völker als Kurzschwerter führten, waren dem Nordmann Werkzeug, Waffe und Tafelbesteck zugleich. Einige Krieger überprüften den Sitz der Speerspitzen auf dem Schaft oder ob das großem halbmondförmige Blatt der Axt noch scharf geschliffen war. Über die wenigen Schwerter raunten die Männer dunkle Zaubersprüche, die Odins selbst einst die Menschen gelehrt haben soll.
     
    Der Körper eines kämpfenden Nordländers hatte wenig Schutz. Rüstungen oder Kettenhemden gab es jenseits des Dänenwalles in jenen Tagen noch nicht. Es kam nur wenig Metall in die abgelegenen Siedlungen der Fjorde und das wenige Eisen wurde mehr für die Herstellung von Ackergeräten als für Waffen gebraucht. Selbst Bronze war ein rares Handelsobjekt.
     
    Jede Hand wurde in der Landwirtschaft und beim Fischfang gebraucht, um das tägliche Überleben zu sichern und niemand ahnte von den reichen Erzvorkommen des Landes, die ungenutzt im Schoß der Erde lagen.
     
    Als Wehr gegen Hieb und Stich von Schwert und Axt, gegen einen heransausenden Speer oder das Schwirren eines tückischen Pfeiles trugen einige der Männer eine Art Waffenrock, auf dem handtellergroße Bronzeplatten die verwundbarsten Körperteile oberhalb der Gürtellinie schützten. Dazu kamen die großen, mit Tierhäuten bezogenen und mit seltsamen Figuren und Symbolen bemalten Rundschilde. Sie waren aus dem leichten Holz der Linde gefertigt und hingen während der Fahrt an besonderen Vorrichtungen außenbords zwischen den Ruderlöchern. Die Schilde bildeten so eine Schutzwehr für die Männer, die jetzt, während der Wind die Schiffe vorantrieb, auf den Ruderbänken knieten und sich so gut es ging über Bord lehnten, um den Kurs genau zu verfolgen.
     
    Dort wo der graue Rauch erlöschender Wachfeuer sich in den Himmel kräuselte, lag Grymgard, das Ziel ihrer Fahrt.
     
    „Ist es möglich, Vater, dass wir nur deshalb dieses Dorf mitten im Frieden zu überfallen, weil Frodin Graumantel unserem Jarl am Fest Balders den Vortritt zum Weihestein genommen hat?“, fragte ein hochgewachsener Jüngling mit offenem Gesicht. Seine nervige Rechte umklammerte eine langschäftige Axt, die im Wald wie auf der Walstatt zu gebrauchen war.
     
    Lars Wolfssohn war etwas kleiner als die anderen gleichaltrigen Schiffsgenossen. Sein mähnengleiches, von einem aus Lederschnüren geflochtenen Reif mühevoll gebändigtes Haar war nicht so hell wie reifes Getreide sondern golden wie lang gelagerter Met. Er hatte ein schmales Gesicht, in dem sich unbekümmerte Jungenhaftigkeit mit dem Ernst des erwachsenen Mannes vermischten. In seinen stahlgrauen Augen paarten sich eisige Entschlossenheit mit melancholischer Schwermut. Noch ließ die Jugend keinen Bart sprießen, sodass er unter den rauen Männern seines Schiffes einem Mensch gewordenen Götterjüngling glich. Wie die anderen Schiffskameraden trug Lars Wolfssohn die einfache, derbe Kleidung der Nordländer aus Leinen, Wolle und Fellen. Er hatte

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