Die Flammen von Lindisfarne
müsste?“
Ein bezeichnender Blick Olafs in den Bug des Schiffes sagte mehr als Worte. Der älteste Sohn des Jarl hatte sich wie ein Berg hinter dem Vater aufgebaut und stützte sich auf eine langstielige Axt mit unterarmbreiten, halbmondförmigen Blatt.
Es gab wenige Männer in Ringan-Fjord, die Thorleif Knochenbrecher an urwüchsigen Körperkräften gleichkamen. Er war ungefähr im Alter von Lars Wolfssohn und mit ihm und fünfzehn anderen Jünglingen in diesem Jahr zur Sommersonnenwende am Morgen der Nacht nach dem Schwerter-Tanz vom Jarl symbolisch mit Speer und Schild ausgerüstet worden. Damit waren sie vor der Thing-Gemeinschaft als freie Männer anerkannt. Sie konnten ihren eigenen Hausstand gründen und hatten nun dem Ruf des Jarl zur Heerfahrt zu folgen.
„Ob Swanahilds jetziges Schicksal aber besser ist?“ Thorsten Elchnase zuckte die Schultern. „Immerhin drang der Ruf ihrer Schönheit bis zum Hof von Thorin Wogenbrecher, der sofort um Swanahild warb. Und Frodin Graumantel konnte der lockenden Versuchung nicht widerstehen, sich mit dem mächtigen Seekönig zu verschwägern, der seine Abstammung bis auf Thor selbst zurückführt.“
„Frodin Graumantel ist dem Seekönig genau so hörig, wie es unser Jarl ist“, brummte Snorre dazwischen.
„Mehr als siebzehn Jarls müssen sich vor dem Wogenbrecher neigen“, sagte Olaf, „aber er kann sich immer noch nicht als allbeherrschender König von Norwegen fühlen. Obwohl sich die Jarls einmal in drei Jahren in seiner Burg hoch oben an der Grenze der Gletscher zu Trondheim vor dem Wogenbrecher neigen, kann er doch nicht wie ein Hochkönig herrschen. Stolz empor trägt der Wikinger das Haupt. Er lässt sich eher die Beine brechen als vor einem Menschen zu knien und sein Nacken ist zu starr zum Beugen. Selbst vor Odin in Walhall neigt der Wikinger sich nicht, sondern grüßt Walvater mit der erhobenen Waffe in der blutigen Faust!“
„Müssen wir nicht mit der Rache des Seekönigs rechnen, wenn wir jetzt die Siedlung seines Schwiegervaters angreifen?“, fragte Lars gespannt. „Bei seiner Macht kann er sicher hundert Segel gegen Ringan-Fjord führen.“
„Thorin Wogenbrecher ist heute ein alter Mann, der dem Strohtod entgegen dämmert“, flüsterte Olaf. „In den Tagen seiner Jugend war ein Wikinger von altem Schrot und Korn. In jedem Jahr segelte er dem Sonnenuntergang entgegen und stieß sogar im unendlichen Wasser des Ozeans auf einigen kargen Felseninseln im Westen, deren Unwirtlichkeit aber die Landnahme nicht lohnten. Ich weiß eine Saga, in der Thorin mit seiner Axt einen Gegner vom Kopf bis zur Leibesmitte spaltet!“
„Doch nun ist der alte Bär müde geworden und es heißt, dass er den Körper nur noch mit heißem Met und die Sinne mit schönen Frauen erwärmt“, lachte Thorsten leise. „Der geht nicht mehr auf Fahrt, um Swanahilds Vater zu rächen, wenn Haakons Axt Frodin den Weg nach Walhall weist.“
„Auch ist es fraglich, ob Swanahild bei ihm überhaupt noch in Gunst steht“, setzte der Skalde hinzu, der von reisenden Händlern über das neueste Geheimgeflüster vom Hofe in Trondheim unterrichtet war. „Es wird nämlich angezweifelt, dass der alte Seekönig das junge Ding jemals mit seiner erlöschenden Manneskraft richtig beglücken konnte.“
„Nun, für weibliche Bedürfnisse dieser Art ist zu Trondheim sicher gesorgt“, murrte Snorre. „Thorin hat sicher eine Gefolgschaft kräftiger Odins-Söhne, die dem Weib ihres Königs mit Freuden dienen und dem alten Wogenbrecher die Arbeit abnehmen.“
„Der Streit entbrannte auch nicht so sehr um das Weib, das nun im Bett den kalten Körper des Meer-Königs anwärmt“, Sigurd Schildspalter strich noch einmal prüfend über die Schneide seines Schwertes. Der hochgewachsene Wikinger mit dem sehnigen, muskulösen Körper erinnerte mit seinen kraftvollen und doch geschmeidigen Bewegungen an einen Luchs, der die Wälder durchstreift und zu jeder Zeit zum Angriff wie zur Verteidigung bereit ist. Er trug eine Art Brustpanzer aus festem Elchleder, das in nasser Form seinem Körper genau angepasst war. Nach Art der jungen Männer waren Arme und Beine bis auf die üblichen Bundschuhe nackt. Ein zerschlissener Mantel aus rotem Wollstoff, der einst auf den Webstühlen des Frankenlandes gewirkt wurde, lag, von einer kunstvollen Adlerfibel gehalten, um seine Schultern.
Um den Hals trug Sigurd Schildspalter eine Kette mit einem Medaillon,
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