Die Flammenfrau
wiedersehen.«
Pyros lehnte sich gelassen an den Türrahmen. »Wollt Ihr ihn vielleicht mit dem Samtkissen ersticken, wenn ich ihn hole?« Er schüttelte den Kopf. »Dazu seid selbst Ihr nicht fähig, Priesterin.«
»Wie Ihr wollt«, erwiderte Lursa und schaute den kleinen Raban an. Langsam begann sie die Worte, welche die Gwenyar sie vor vielen Jahren gelehrt hatten, rückwärts zu sprechen. Sie erinnerte sich gut an die Verse. Wenn sie keinen Fehler machte, würden nach einer Weile in der ganzen Flammenburg die Feuer wieder angehen, die mit Luovanas Tod erloschen waren. Lursa hielt inne und starrte auf den Kamin. Dann sprach sie weiter. Leise zuckten rotgelbe Flämmchen aus der Asche empor. Das gleiche geschah in jedem anderen Kamin innerhalb der Mauern. Ihre Stimme wurde lauter, und die Flammen brannten warm und hell. Schließlich sang die Jägerin den letzten Vers, und glühendheiß ergoß sich im selben Augenblick die Glut in den Raum hinein. Schwer wälzte die Glut sich über den steinernen Boden und vernichtete alles, was sie mit ihrem kochendem Atem berührte.
Lursa blickte auf den Magier, der stirnrunzelnd in der Tür stand. Ohne den Schutz der Göttin würde sie mit dem kleinen Raban sterben.
»Das Feuer wird Euch nichts tun«, sagte sie lachend und sprang vor den ersten Flammen zurück, die zügellos aus dem Kamin schlugen und den Raum erhellten. »Ihr seid ja nun unsterblich.«
»Lursa! Diese Narrheit wird Euch das Leben kosten«, fluchte Pyros und war in zwei Schritten nahe dem Kamin. »Verdammt, Ihr liebt die Macht und den Tod wirklich mehr als Euer Kind.« Mit dem Umhang schlug er ein paar Flammen nieder, die nach den Samtkissen züngelten. Aber es war vergeblich. Das Feuer quoll aus dem Kamin heraus und schien unaufhaltsam zu sein.
»Ihr könnt es nicht löschen!« flüsterte Lursa und fühlte die Wärme der gierigen Flammen unangenehm nah. Sie nahm all ihre Kraft zusammen und hielt den weinenden Knaben fest im Arm.
»Ihr werdet mir meinen Sohn nicht nehmen!«
Der Magier warf einen letzten Blick auf die heiße Glut um sich herum und packte dann kurz entschlossen die Frau mit der Rechten um die Taille. Mit der anderen Hand fuhr er ihr unter die Knie und hob sie auf seinen Arm.
»Ihr seid eine ungelehrige und ungehorsame Schülerin«, fluchte er und sprang über das Feuer.
Lursa fühlte, wie ihre Kräfte sie verließen. Erschöpft lehnte sie den Kopf an die vertraute Schulter. Er begehrte sie also doch noch, sonst würde er sie nicht retten. Pyros hatte sie nicht aufgegeben. Mit ungeheurer Anstrengung öffnete sie die Augen. Sie war plötzlich furchtbar müde, aber sie wollte ihn noch einmal sehen. Sein Gesicht war makellos schön. Selbst jetzt, da die Anstrengung der Flucht ihm deutlich anzusehen war. Sie lächelte, er war unsterblich, ihm würde in dem Feuer nichts geschehen. Sie schlang einen Arm um seinen Hals, und hielt mit der andern den kleinen Raban fest. Kraftlos sank ihr Kopf auf seine Brust. Es war gut, dachte sie, daß Pyros gekommen war.
Faramund hielt sein Pferd an und schaute zurück. Sie waren an der Stelle, an der sie im vergangenen Winter von dem seltsamen Adler angegriffen worden waren. Arma, die vornweg ritt, verließ das große Schneefeld und lenkte ihr Pferd gen Westen. Faramund blickte noch einmal zurück auf die Gipfel.
»Wartet, Kriegerin, schaut dort«, rief er. Sein Blick wurde von einem magischen Leuchten angezogen, das sich über die Gipfel hinaus in den nächtlichen Himmel erhob.
Mirka hielt ihr Pferd neben seinem an. »Was meint ihr?« fragte sie, und dann sah sie es auch.
Arma wandte sich mißmutig zu ihnen um und hielt einen Lidschlag lang inne. »Das ist die Burg«, sagte sie dann. »Sie brennt! Wahrscheinlich hat jemand den Feuerzauber der Gwenyar angewandt, um die Feuer wieder zu entfachen.« Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit der Gefährtin.
»Lursa?« fragte Mirka.
»Wer sonst?«
»Glaubst du wirklich, sie würde sich so dem Tod in die Hände geben?«
Arma zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls hat sie keine Chance, lebendig die Burg zu verlassen, wenn sie im Raum des Lichtes die Flammen heraufbeschworen hat.«
»Ja, das Feuer ist schneller!« flüsterte Mirka hinzu und betrachtete den Lichtschein. »Dennoch ist sie die einzige, die außer Luovana den Zauber kennt.«
Arma löste sich von dem schimmernden Anblick. »Ich habe Lursa noch nie verstanden! Es ist noch ein weiter Weg bis zum Wasserfall«, sagte sie und schaute Faramund
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