Die Flammenfrau
die Hügel zurück.
Die Felsen waren feucht und glitschig. Brunhild hatte Mühe nicht auszurutschen. Mit den kleinen Händen krallte sie sich an den Steinen fest und versuchte mit dem Fuß den nächsten Vorsprung unter ihr zu erreichen. Von dort aus müßte sie dann nur noch hinunter auf den Boden springen.
Mit Herzklopfen hatte sie gewartet, bis Mirka zu ihrem Abendspaziergang aufgebrochen war, dann war sie aus den warmen Decken herausgekrabbelt und auf Zehenspitzen aus dem steinernen Tempel der Göttin, in dem sie seit Armas Abreise lebte, fortgelaufen. Der Tempel lag nahe am schwarzen Wasserfall und war aus weißen Steinen gebaut. Nachts bei Mondschein schimmerte und glänzte er unwirklich, wie ein silberner Palast, von dem Brunhild nie ganz sicher war, ob es ihn wirklich gab, so schön sah er aus. Trotzdem wollte sie nicht dort bleiben. Sie wollte zurück zu Arma und in ihre Höhle. Sie mochte in dem Tempel nicht mehr schlafen.
Den finsteren Weg bis zu dem Felsen, an dem sie hinabklettern mußte, war sie so schnell gerannt, daß ihr Herz laut zu klopfen begann. Brunhild hatte zwar ein wenig Angst, aber es war der kürzeste Weg, der ihr einfiel, um zurück zur Höhle zu gelangen. Wenn da nur nicht dieses letzte Stück gewesen wäre, das sie hinabspringen mußte. Jetzt stand sie da.
»Verdammt«, murmelte sie und ärgerte sich. Es war doch ziemlich tief bis auf den Boden.
Sie schaute den Felsen hinauf. Dort wieder hochzuklettern war genauso verrückt! Außerdem würde es ziemlichen Ärger mit den Priesterinnen geben, wenn sie ihre Flucht entdeckten. Arma hatte ihr eindringlich befohlen, sich an alles zu halten, was die Frauen von ihr wollten. Ach Arma, sie wußte doch gar nicht, wie viele fremde Wörter Camire immerzu von ihr hören wollte. Nein, Steinwerfen machte weitaus mehr Spaß!
Brunhild schnaufte leise, um sich Mut zu machen. Vielleicht sollte sie zählen und bei zehn hinunterspringen.
»Eins, zwei, drei«, flüsterte sie, doch dann fiel ihr ein, daß diese Priesterinnen irgendwie immer alles wußten, was sie tat. Sie schienen die besten Ohren zu haben, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Brunhild kniff die Augen zusammen. Manchmal waren ihr diese Priesterinnen nicht ganz geheuer. Sie wußten sogar etwas von Brunhild, was sie sich selbst oft noch gar nicht ausgedacht hatte. Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Besser sie zählte heimlich, dann konnte man es nicht hören. Aber dann verrutschten die Zahlen schneller in ihrem Kopf, und sie brauchte viel länger.
Mirka war an allem Schuld, dachte Brunhild. Wenn sie Arma nicht fortgeschickt hätte, läge sie jetzt bei der Kriegerin im Arm vor dem kleinen Feuer, und sie würden miteinander flüstern. Warum mußte Arma fortgehen? Brunhild fühlte, wie die Tränen ihr in den Augen brannten. Sie wollte keine Priesterin werden, sondern eine Kriegerin! Arma sollte zurückkommen!
Der Mond schaute neugierig hinter einer kleinen Wolke hervor und spendete ein wenig Licht. Jetzt glaubte Brunhild wenigstens ein Stück vom Boden sehen zu können. Es ging ziemlich tief herab.
Sie atmete noch einmal tief ein und sprang mutig von dem Felsvorsprung hinunter. Unerwartet weich landete sie.
»Au!« rief es neben ihr, und irgend etwas rollte sich rasch von ihr weg, ins nahe Gebüsch.
Brunhild blieb vor Schreck regungslos auf dem feuchten Moosboden hocken. Was war das? Da hatte jemand deutlich »Au!« gesagt, doch jetzt war alles still. Unheimlich still! Nichts war zu hören.
Ängstlich horchte das Mädchen in die Nacht. Sie wagte kaum zu atmen. Ihre Augen hatten sich an die Finsternis schon gewöhnt, aber durch das Gebüsch konnte sie nichts erkennen. In ihrem Bauch begann es fürchterlich zu kribbeln, und ihr Herz hämmerte, als sei es ein wildes Pferd.
»Wer ist da?« flüsterte sie in das Gebüsch. Ein leises Rascheln verriet, daß sie nicht geträumt hatte.
Brunhild nahm ihren ganzen Mut zusammen. Sie krabbelte auf allen vieren an den Felsen heran, von dem sie herabgesprungen war. Mit geschickten Fingern suchte sie einen losen Kiesel aus der Wand. »Du bist der Richtige«, flüsterte sie und umklammerte den Stein ganz fest. »Du bist mein Freund.«
Arma hatte ihr nicht umsonst gezeigt, wie man Steine warf!
»Wieso sagst du, ich bin dein Freund?« flüsterte es aus dem Gebüsch. »Du kennst mich doch gar nicht!«
Brunhild erschrak. Sie hatte doch mit dem Stein gesprochen. Jetzt wußte der andere bestimmt, daß sie eine Kriegerin war! Eine
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