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Die Flucht: Roman (German Edition)

Die Flucht: Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesus Carrasco
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gelehnt, unverständliche Wörter vor sich hin gemurmelt. Irgendwann war sein Körper wie ganz von allein hochgeschreckt und sein Kopf dem Hirten in den Schoß gesunken. Erschöpft richtete er sich nun auf. Er schaute den Alten an, der neben ihm saß, den Rücken an den warmen Stein des Brunnenrands gelehnt.
    »Ich hatte einen Alptraum.«
    Der Alte lauschte ihm aufmerksam.
    »Der Rothaarige wollte mich verbrennen.«
    »Er wird dir nichts mehr tun.«
    »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
    »Das Gleiche wie mit seinem Anführer.«
    Der Junge fasste sich an die Ohren, die ein vibrierender Pfeifton quer durchs Gehirn miteinander verband. Er suchte die Umgebung ab, sah aber nichts als blinkende Sterne am Himmel und den von einem milchigen Hof umgebenen Mond. Kein Lebenszeichen, weder in der Herberge noch in ihrer Umgebung.
    »Mach dir um ihn keine Sorgen. Wir müssen trotzdem so rasch wie möglich von hier verschwinden.«
    »Brechen wir nach Norden auf?«
    »Ja.«
    »Und was tun wir, wenn wir ankommen?«
    »Das ist noch lange hin.«
    »Ich geh den Esel holen.«
    »Du hast noch was vergessen.«
    Der Junge überlegte einen Moment.
    »Die Ziegen, Junge. Sie sind alles, was wir haben.«
    Gemeinsam mit dem Hund lief er zurück nach Süden. Aus einem der verlassenen Häuser kam eine Katze hervor und huschte lautlos vor ihnen quer über die Straße. Kurz blieb sie stehen und starrte ihn an, dann verschwand sie unter einer halb ausgehängten Tür.
    Am Dorfeingang fand er, wie der Hirte gesagt hatte, den an ein Gitter angebundenen Esel und ein Stückchen weiter das Motorrad des Polizeiwachtmeisters. Er streichelte dem Esel über den Kopf und spürte seine kantigen Schädelknochen. Dann band er ihn los und verließ das Dorf in Richtung Eichenhain.
    Auf dem Weg hangaufwärts wusste er kaum einzuschätzen,wie viel Zeit bis zum Morgen blieb, doch ihm war klar, dass er sich beeilen musste. Er gab dem Esel ein paar Klapse auf die Kruppe. Kurz bevor sie das Eichenwäldchen erreichten, eilte der Hund voraus, und als der Junge beim Pferch ankam, liefen die Ziegen bereits aufgeregt durcheinander, während der Hund um das Gehege kreiste. Er öffnete die Umzäunung, und sofort drängten die Ziegen heraus und verstreuten sich in der Umgebung. Der Junge sattelte den Esel und bepackte ihn mit der Habe des Alten und den leeren Wasserflaschen.
    Eilig begaben sie sich wieder hinunter ins Dorf, und als sie dort ankamen, galt sein Augenmerk allein dem Motorrad des Polizeiwachtmeisters. Vorsichtig ging er hin. Er betrachtete die ausladenden Formen des Gefährts. Den breiten Lenker, die robuste Gabel und das runde Nummernschild auf dem vorderen Schutzblech, wie eine Galionsfigur. Den geschwungenen Beiwagen, den Einstieg, die Karosserie, in der er so oft unter der Decke versteckt mitgefahren war. Er strich mit der Hand über die Schnauze, über den Windschutz, als streichelte er ein Pferd. Über den Innenraum gebeugt, inspizierte er die Sitzbank, die Decke mit dem wächsernen Rand. Dann wich er zurück, packte den Halfterstrick des Esels und machte sich so schnell wie möglich davon.
    Als er beim Brunnen ankam, hatte der Alte sich nicht von der Stelle gerührt. Der Junge ging zu ihm, um sich zurückzumelden und seinen nächsten Auftrag entgegenzunehmen.
    »Gib den Ziegen zu trinken!«
    Der Junge lud die Flaschen ab, goss Wasser in eineBüchse und setzte sie dem Hirten an den Mund. Der Mann schlürfte die schlammige Flüssigkeit und blickte fordernd zum Jungen auf.
    »Ich geh schon.«
    Der Junge lud die Büchse ab, füllte sie mit Wasser für die Tiere und kauerte sich, als alle getrunken hatten, wieder neben den Hirten.
    »Jetzt such so viele Lebensmittel zusammen, wie du kannst, und füll die Flaschen mit Wasser auf.«
    »Ich will das Haus nicht mehr betreten.«
    »Willst du lieber verhungern?«
    »Ich kann nicht. Dieser Mann …«
    »Er wird dir nichts mehr tun.«
    »Ich hab Angst.«
    »Sieh nicht zu ihm hin.«
    Auf der Steinbank vor der Herberge fand der Junge die Peitsche des Polizeiwachtmeisters. Er nahm sie an sich und fuchtelte damit in der Luft herum wie mit einer Fliegenklatsche. Er fühlte das abgenutzte Leder am Griff und die durch den häufigen Gebrauch eingedrückten Nahtstreifen. An der Spitze eine dreieckige Lasche, deren Abdruck er auf dem Rücken des Hirten gesehen hatte.
    Mit der Peitsche in der Hand spähte er durch die dunkle Türöffnung in den Raum hinein. Aus der Düsternis schlug ihm der gewohnte Duft nach Geräuchertem entgegen,

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