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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Aufgabe es war, Zaubernde aufzugreifen, und den Suchern, verdeckt arbeitenden Ermittlern, die Magie in all ihren Formen und Auswüchsen aufspürten.
    Magie war für mich nie etwas Beängstigendes gewesen. Ich hatte gesehen, wie Mom mit ihrer Gabe geheilt, auf die Stimmungen der Menschen eingewirkt und ihnen ihre Depressionen genommen hatte.
    Wie konnte das etwas Schlechtes sein?
    Die Regierung jedoch machte keinen Unterschied zwischen guter und böser Magie, lediglich die magischen Berater, die in ihren Diensten standen, blieben verschont. Darüber hinaus war jede Form der Zauberei gleich verdammenswert und wurde mit derselben Härte verfolgt. Selbst ich wäre in ihren Augen gefährlich, obwohl meine Magie in ihrer Ausprägung geradezu lächerlich war. Jemanden damit zu bedrohen war ungefähr so beeindruckend, als würde ich versuchen, einen Menschen mit einem Wattebausch zu erschlagen. Vielleicht ein bisschen beeindruckender.
    In Zeiten, in denen Kriege und Völkermorde als barbarisch angesehen wurden, wurden Zaubernde nicht länger getötet. Sie verschwanden einfach. Offiziell wurden sie für ihre Verbrechen eingesperrt. Es war jedoch ein offenes Geheimnis, dass die Mediziner einen Weg gefunden hatten, uns von unserer Magie abzuschneiden, indem die entsprechenden Areale des Gehirns deaktiviert wurden. Das klang harmlos. Wie grausam dieser Eingriff in Wahrheit war,belegten verdeckt gemachte Videoaufnahmen, die immer wieder über Piratensender in die normalen Fernsehkanäle eingespeist wurden. Die Zaubernden waren nach dieser Form der Behandlung zwar am Leben, ihr Gehirn aber war zerstört. Wankend wie Zombies, ohne den geringsten Funken von Verstand, bewegten sie sich innerhalb der Anstaltsmauern, in denen sie vor sich hin vegetierten, bis ihnen die Gnade des Todes zuteilwurde. Die Vorstellung, dass meine Mom eine von ihnen war, war kaum zu ertragen.
    Letzten Sommer hatte ich versucht, sie aufzuspüren, das Vorhaben jedoch wieder fallen gelassen, als ich begriff, dass ich mich dafür mit den Behörden auseinandersetzen musste. Behörden, die mich in eine dieser Anstalten stecken würden, wenn sie über mich Bescheid wüssten.
    Ich hatte auf den Stufen des Londoner Hauptsitzes der Magiepolizei gestanden und war im Begriff gewesen, wieder zu gehen, als ein Mann durch die Glastür nach draußen, die Treppen hinunterstürmte.
    »Wenn du einen Angehörigen suchst«, rief er mir im Vorbeigehen zu, »spar dir die Mühe! Sie dürfen keinen Besuch empfangen.« Er war an mir vorbei und seine Worte wurden bereits leiser, trotzdem hörte ich ihn noch sagen: »Sie verraten einem nicht einmal, ob sie noch leben.«
    An diesem Tag hatte ich meine Suche beendet, bevor ich überhaupt begonnen hatte. Aus purem Selbstschutz. Ich mochte keine Blitze schleudern oder Gegenstände fliegen lassen können, trotzdem würde ich mit einem matschigen Hirn in einer dieser Anstalten landen, wenn jemand herausfand, über welche Fähigkeiten ich verfügte.
    Ich hatte aus der Vergangenheit gelernt und war vorsichtig. Mir würde nicht dasselbe passieren wie Mom. Sie hätte ihre Gabe nicht einsetzen dürfen, schon gar nicht bei Menschen, die sie nicht einmal richtig kannte und auf deren Verschwiegenheit sie nicht vertrauen konnte. Manchmal hatte ich gehört, wie meine Eltern darüber stritten. Dad hatte verlangt, dass sie aufhörte ihre Magie einzusetzen, doch Mom hätte es nicht ertragen, jemandem nicht zu helfen. Sie vertraute darauf, dass die Menschen, die sie von ihrem Leiden befreite, sie nicht ans Messer liefern würden. Womöglich war es ein Sucher gewesen, der auf sie aufmerksam geworden war und sich als Patient bei ihr vorgestellt hatte. Sucher waren mit Abstand die hinterhältigsten Vertreter der Magiepolizei. Sie arbeiteten verdeckt, und sobald sie die Informationen hatten, die sie brauchten, setzten sie die Einsatztruppe darauf an, die die Zaubernden aufgriff und hart gegen jene vorging, die sich ihnen dabei in den Weg stellten. So wie Dad. Weil die Sucher selbst nicht eingriffen, blieb ihre eigene Tarnung intakt und sie konnten weiterhin die Bevölkerung unterwandern und ausspionieren.
    Ganz allmählich gelang es mir, die Nachwirkungen meines Traums abzuschütteln. Meine Atmung und mein Herzschlag beruhigten sich und meine Hand zitterte nicht mehr, als ich die Decke zurückschlug und aufstand. Ich war mittlerweile erstaunlich gut darin geworden, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Wenn ich in einer Stunde zum Frühstück ging, würde

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