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Die Flüchtlinge

Die Flüchtlinge

Titel: Die Flüchtlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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wird sie niemand mehr anrühren.
    Vielleicht.
    Stonesh wies die Leute ungeduldig aus dem Zimmer. In dem allgemeinen Durcheinander packte Tara Harts Arm und sagte: „Geh jetzt.“
    Hart drehte sich um, dann schaute er noch einmal zurück. Die Gemahlin lächelte heiter, der Erzbischof verkroch sich in seiner Robe, und die Leibärzte reckten die Hälse und streckten die Hände nach der Mutter und ihrem Kind aus. Die Lakaien glotzten. Na bitte! Das Spiel war aus. Hart musterte Taras stupsnäsiges Gesicht. Die Dinge, dachte er, sind niemals das, was sie zu sein scheinen.
    „Woran ist der Regent gestorben?“ fragte er.
    „An einem Sturz, Menet.“ Sie lächelte kurz. „Ein paar Freunde haben ihm dabei geholfen.“
    Hart starrte sie an. Sie legte eine Hand auf seinen Arm, und er durchquerte den Raum und ging schnell den Korridor hinunter. Es wurde Morgen. Das Wirrwarr des Irrgartens kam ihm plötzlich zweidimensional vor, die Echos der Vogelstimmen klangen hohl. Als er das Gartentor erreichte, fingen in der Stadt die Glocken an zu läuten.

 
2. Hart
     
    Sie schickte die Kleider, die Juwelen, die Bänder und alles andere, abgesehen von den medizinischen Instrumenten, in einem riesigen Container mit der Aufschrift HAUSHALTSWAREN hinter mir her. Als Adresse war angegeben: Hart Kennerin, bei Ortega, Schloß Benetan, Anselm. Sie vergaß nicht einmal die Kleidung für Spider.
    Aber keine Nachricht, keine Botschaft. Ich erwartete auch keine. Können Bühnencharaktere überhaupt weiterleben, wenn das Stück zu Ende und der letzte Vorhang gefallen ist? Gregory 4 erschien mir plötzlich wie ein großes Theater, das man geschlossen hatte. Das Spiel war gelaufen. Es hatte keinen Sinn, hinter der leeren Bühne zurückzubleiben und einen Blick hinter den schweren Vorhang zu werfen. Ich hatte kein Interesse mehr daran, auf eine leere Bühne zu starren.
    Die Bühne auf Anselm hingegen schien verwaist zu sein. Unsere Gastgeber zeigten sich nie, und ich nahm an, daß das ganze Haus lediglich mit herrenlosen Dienern bevölkert war. Sie kümmerten sich um unsere Bedürfnisse, ernährten uns, säuberten die Räume und ließen uns sonst in Ruhe. Es war nicht übel. Das Schweigen und Alleinsein tat mir gut und gab mir den nötigen Abstand, um die beiden vergangenen Jahre zu überdenken. Ich hatte Raum zum Atmen. Platz genug, um diesen kleinen, langsam größer werdenden Fremdling zu beobachten, der mein Sohn war.
    Spider. Ein Einzelkind, gewiß; aber ganz ohne die Kälte, die Einzelgänger verbreiten. Er war ein liebes Kind, in keiner Weise in Rage zu bringen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich in seinem Alter war, glaube aber, anders gewesen zu sein. Der alte Gren hatte meinem Sohn eine Selbstsicherheit anerzogen, die ich selbst nicht hatte. Spider lebte in einer Welt des konstanten Wechsels, und er akzeptierte alle Veränderungen, weil sie für ihn ein Bestandteil der Struktur des Universums waren. Mein Sohn hatte keinerlei Ambitionen, eine Welt, auf der er lebte, als sein Eigentum anzusehen.
    Genau das hatte ich getan. Ich bin nicht der Meinung, daß er mir besonders ähnlich sah, aber ein Kennerin war er, daran gab es keinen Zweifel. Spider wurde in diesem Jahr vier, ich sechsundzwanzig. Das Leben hatte auf mir bereits seine Spuren hinterlassen; er hatte noch alles vor sich.
    Er tat Dinge, von denen ich annehme, daß sie unter Kindern seines Alters gang und gäbe sind. Er sprach und aß, zerbrach irgend etwas und machte es wieder heil. Er schenkte und verlangte Aufmerksamkeit, lobte alles, was ihm gefiel, und verabscheute das, was ihm nicht zusagte. Er zeigte Interesse an meinen Büchern, und als ich anfing, ihm das Lesen beizubringen, lernte er schnell. Natürlich hielt ich ihn für einen hellen Kopf, ohne irgendwelche Vergleichsmöglichkeiten zu haben. Auf alle Fälle hielt ich ihn für gutaussehend, und ich glaube auch, daß er das war.
    Bisher hatte ich die Erfahrung, jemanden zu lieben, noch nie gemacht. Das seltsame Gefühl, daß mich überkam, wenn ich ihn im Garten beim Spielen beobachtete oder ich ihn neben mir schlafen sah, verwunderte mich. Hatten Mish und Jason diese Liebe auch für mich empfunden? Noch vor einem Jahr hätte ich zweifellos und ohne zu zögern auf diese Frage mit nein geantwortet. Jetzt wußte ich gar nichts mehr. Ich war mir über all das nicht mehr im klaren. Dieses Gefühl schien so sehr eine private Sache zwischen mir und meinem Kind zu sein, daß ich nicht dazu in der Lage war, den Gedanken

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