Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
schon so leicht keiner. Es läßt sich dabei aber auch nichts anderes tun; denn ehe ich es einer von den Arkansas- oder Mississippi-Banken anvertraute, könnte ich es ebensogut verspielen; da hätte ich doch wenigstens ein Vergnügen davon, wenn auch ein schlechtes.«
»Nun, ich weiß nicht«, meinte Tom, »mit Geld hier so ganz allein im Walde zu sitzen würde ich jedenfalls für gefährlich halten. – Es schwimmt eine ganz anständige Zahl von Leichen in diesem Vater der Wasser wie Brocken in einer guten Suppe herum. – Ich möchte nicht gern einer von den Brocken sein.«
»Ja, das ist wahr!« sagte der Kentuckier. »Besonders vor Viktoria treiben viele vorüber; denkt aber auch nur, wie manches Dampfboot zugrunde geht. Da ist's ja dann kein Wunder, daß die erst versunkenen Leichen auch wieder zum Vorschein kommen. Aber müßt Ihr denn schon fort? Wenn Ihr bloß nach Montgomerys Point wollt, habt Ihr wahrlich nichts zu versäumen.«
»Ei nun, ich bin einmal unterwegs«, meinte Tom, während er aufstand und den letzten Rest aus dem Blechbecher leerte, »und da will ich doch auch hinunter; überdies soll ich ja dort meinen Alten wiedertreffen, der hier am Ende an mir vorbeifährt. Aber hört einmal, – wo gieße ich denn den Whisky hinein? Ich möchte ihn Euch gerne dalassen; denn da Ihr hier so schlecht damit beschlagen seid –«
»Gar zu gütig!« lachte der Mann. »Die Gabe nehme ich übrigens mit Dank an; an Gefäßen fehlt's freilich, doch habe ich hier ein paar Rohrstöcke, die halten wohl eine Pint.«
»Ach was, da geht ja gar nichts hinein«, brummte Tom. »Doch halt, gebt sie einmal her! Wie weit ist's noch bis Montgomerys Point, und wann kann ich unten sein?«
»Ei, doch wohl noch vierundvierzig Meilen; wenn Ihr aber bis Abend rudert und die Nacht hindurch treibt, so könnt Ihr es mit Tagesanbruch erreichen.«
»Gut, so behaltet Ihr die Flasche hier; – das Rohr hält so viel, wie ich brauche, bis ich hinunterkomme, und unten gibt's mehr.«
»Was? Die ganze Kruke?« rief der Kentuckier erstaunt. »Ei, Mann, Ihr seid großmütig.«
»Ja, seht«, sagte Tom lächelnd, »ich weiß wie's tut, ohne Whisky zu sein, bin's auch schon manchmal gewesen und fühle deshalb mit jedem Menschen Mitleid, der sich in gleich trauriger Lage befindet. Unser halbes Boot ist übrigens mit Whisky geladen, und da könnt Ihr Euch wohl denken, daß es nicht gerade auf eine Gallone ankommt. Aber, ade! – Es wird spät, und ich möchte doch noch gern morgen früh alle die Geschäfte abmachen, derentwegen ich eigentlich heruntergekommen bin. So, guten Abend denn! – Wie ist Euer Name?«
»Robert Bredschaw, – und der Eurige?«
»Tom Barnwell«, lautete die Antwort, während das schmale Boot schon wieder in die Strömung hinausschoß, sich, bis Tom die Ruder ergreifen konnte, ein paarmal umdrehte und dann, dem starken Arm des jungen Mannes gehorsam, rasch über die gelben Fluten dahinschoß.
Tom hatte sich bei seinem neugewonnenen Freund doch länger aufgehalten, als es anfangs seine Absicht gewesen war, noch dazu, da er erst einen sehr kleinen Teil seiner Fahrt zurückgelegt hatte, – Bredschaws bescheidene Wohnung lag nämlich nur sieben englische Meilen zu Wasser von Helena entfernt; doch hoffte er auf die starke Strömung, die ihn wohl auch ohne große Anstrengung seinem Ziele zuführen würde.
Die Sonne lag schon auf den Wipfeln der Bäume, als er aus der kleinen Bucht vorschoß, und da es in Nordamerika fast gar keine Dämmerung gibt, sondern die Nacht sich scharf von ihrem freundlicheren Bruder abscheidet, so legte er sich noch recht wacker in die Ruder, um den letzten Tagesschein soviel wie möglich zu benutzen. Links von ihm lag die sogenannte ›runde Weideninsel‹, ein flaches unbewohnbares Stück Land, dessen äußerste Ränder schon jetzt, da der Mississippi erst zu steigen anfing, unter Wasser standen, während es fast in jedem Jahr von der Flut vollständig bedeckt wurde. Im Innern war die Insel dicht mit Weiden bewaldet, doch hatten rings um diese herum, ein Zeichen neu angeschwemmten Bodens, junge Baumwollholzschößlinge Wurzel geschlagen und bildeten nun, je nach der Mitte zu höher und höher emporsteigend, eine so regelmäßige Anpflanzung, daß es fast gar nicht aussah, als ob sie nur der wildstreuenden Natur ihre dortige Existenz zu danken hätte, sondern von Menschenhand in terrassenförmiger Ordnung gepflanzt und gehegt sei.
Diese Insel ließ er jetzt hinter sich, und mitten im Bett des
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