Die Fotografin
sah abwägend zu den Flattermännern hinüber.
Alexa ließ die Arme fallen. Sei glücklich, dachte sie. Hier ist schließlich das Paradies auf Erden.
Das Haus lag da, wie es sich für ein altes, aus dem 17. Jahrhundert stammendes Steinhaus am Rande eines kleinen Dorfes im Süden Frankreichs gehörte, verwachsen mit einer Landschaft, in der alles kräftiger zu sein scheint als anderswo: die Gerüche, die Luft, die Farben, die Laute. Auf der Terrasse quollen die Blumentöpfe über von dicken Büscheln Lavendel und Thymian, Rosmarin und Salbei. Alexas Blick ging über die Kübel mit den Zitronenbäumchen und Kletterrosen und Liguster hinunter ins Tal, über die Kaskaden der von Steinmauern umgrenzten Gärten hinweg, in denen Olivenbäume und Eßkastanien wuchsen. Oder, in grünen und roten und gelben Streifen, Salat und Lauch und Kohl, eingesäumt von leuchtender Tagetes. Und am Fuß des Hangs: ein Teich.
Vor ein paar Tagen hatte sie lange dort unten gestanden, den Fröschen zugehört und hochgeschaut. Von unten sah man das Haus am besten: Eine in den Fels gehauene Burg, die sich über der letzten Häuserreihe des Dorfes erhob, größer als die Gebäude links und rechts davon; eine uneinnehmbare Festung, getarnt hinter Efeu und Wein und Rosen, verwunschen, vom Wind umfächelt. Und hinter ihren Mauern dunkle Gewölbe, verstohlene Nischen, verträumte Gärtchen, kühle Zimmer und schließlich eine Terrasse so groß wie ein Ballsaal, über der die Sonne aufging und die ab dem frühen Nachmittag in wohltuendem Schatten lag. Das war ihr Haus.
Ein Dornröschenschloß.
Alexa setzte sich auf und hielt das Gesicht in den kühlen und von der Sonne noch kaum erwärmten Wind, der vom Norden kam, von den Bergen, und den die Einheimischen Sire nannten, wenn es Winter, und, freundlicher, Bonne Maman , wenn es Sommer war.
Ein Luxusgefängnis. Wie geschaffen fürs jahrelange Warten auf den Prinzen.
Sie zog das Band aus dem Haar, schüttelte die dunklen Locken und raffte sie mit beiden Händen zum Pferdeschwanz zusammen. In ihrem Fall hatte der Prinz schon mal probehalber vorbeigeschaut, sich die Sache eine Weile angesehen und war dann wieder abgereist. So wurde das natürlich nichts mit der Erweckung. Sie verzog den Mund, stand auf und ging hinein in die kühle Küche. Das Sonnenlicht, das durch die Fensterläden drang, zeichnete schmale Streifen auf den Küchenboden. Alexa nahm sich einen Pfirsich aus der Schale und ein Messer aus der Schublade. Nun durfte Dornröschen zusehen, wie die Rosenhekke wieder zuwucherte – sofern sie sich nicht endlich entschloß, zur Baumschere zu greifen.
Abrupt blieb sie stehen. Sie lauschte in das Haus hinein, ob sich oben, im Schlafzimmer, etwas regte, ob sich unten, aus den Kellern, etwas die Treppe hoch auf den Weg zu ihr machte, lauschte auf einen Laut, einen Hauch, eine Bewegung, bis die Kühle der Steinfliesen ihr durch die Fußsohlen gedrungen war. Ihre Finger umklammerten den Pfirsich. Ihre Füße klebten am Boden. Alle Sinne konzentrierten sich auf das Hören.
Als ihr der Saft übers Handgelenk lief, erwachte sie aus der Trance. Sie trug die angematschte Frucht und das Obstmesser hinaus auf die Terrasse. Dann zerteilte sie den Pfirsich und zog ihm die samtene Haut ab. Obwohl ihr Magen sich beim bloßen Anblick verkrampfte, zwang sie sich dazu, wenigstens die Hälfte zu essen. Felis, die sich in einem der Blumentöpfe niedergelassen hatte, hob mit geschlossenen Augen den Kopf und hielt die Nase in ihre Windrichtung. Dann ließ sie sich auf das blaue Polster aus Männertreu zurücksinken. Obst war uninteressant.
Das Dorf erwachte zum Leben. Vom Tal her hörte man leises Gebimmel – die Ziegen von Madame Reynouard wurden auf die Weide getrieben. Jeden Morgen und jeden Abend klangen die Glocken an ihren Halsbändern bis hinauf ins Dorf. Dann das schrille Jammern eines Mofas, das sich immer höher schraubte, bis der Fahrer endlich den nächsten Gang einlegte. Alexa blinzelte mit halbgeschlossenen Augen in die Morgensonne. Gleich würde Monsieur Crespin auf den Balkon am Haus schräg neben dem ihren treten und die Wettervorhersage des Fernsehens nachprüfen.
Man konnte die Uhr nach dem alten Crespin stellen. Morgens, mittags und abends trat er vor die Wetterstation, die an der Schmalseite seiner verglasten Veranda hing, ein hundeknochenförmiges Gebilde aus Holz, das in der oberen Ausbuchtung ein Barometer und in der unteren ein Thermometer umfaßte. »Das Barometer fällt«, hatte er
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