Sternenfaust - 085 - Die Bedrohung
»Die Erhabenen, die über uns allen stehen und Leben wie Tod bedeuten, erschufen und formten nach Ihrem Ermessen. So wurden viele ins Leben gerufen, zu Ihrem Gefallen und Ihrer Unterstützung. Die einen sollten all das tun, was die Allmächtigen selbst nicht mehr tun wollten, die anderen sollten für Sie das Wissen der Jahrtausende bewahren.
Wir aber sind der Odem der Erhabenen selbst und wir haben eine andere Aufgabe …«
Aus den genetischen Überlieferungen der Dronte
Sie war Dronte. Sie war Mensch. Es gab auf Thesis, dem größten Mond von Daroka II, niemanden wie sie.
Sie wurde von den anderen gemieden. Auch wenn die anderen nicht wussten, was wirklich mit ihr los war: Sie spürten es. Ihre Nähe war ihnen unangenehm und drei Mal schon war Leila Irina Nikona nur knapp den Prüfern entkommen, indem sie gestohlene Proben als ihre eigenen ausgab. Zum Glück war sie klug. Und skrupellos. Sie verstand es, den anderen etwas vorzuspielen, was sie nicht war. Doch all das wurde nun bedeutungslos.
Leila Irina Nikona stand im Schatten der siebeneckigen Forschungsstation verborgen und blickte hinauf in den Nachthimmel. An vielen Stellen war der Dunst am Himmel aufgebrochen und gab den Blick in die Schwärze des Weltalls frei. Hinter dem Horizont stieg der Gasriese mit seinen Ringen am Firmament empor. Davor und daneben blinkten Iris und Tenor. So hatten die Mensch-Dronte zwei der weiter entfernt liegenden Monde genannt, die zu Daroka II gehörten. Zwischen diesen Monden flogen sie jetzt wohl schon: Die Schiffe der Dronte, der Auserwählten, die den Ruf gehört hatten. Sie aber hatte den Ruf nicht vernommen. Sie wusste, dass sie unwürdig war, und sie wollte bei der Aufgabe bleiben, die sie ihr Leben lang erfüllt hatte: den Dronte-Nachwuchs zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass alle Tiefen-Räume die richtige Temperatur hatten.
In den natürlichen Eistiefen des Hauptmondes von Daroka II war sie am liebsten. Sie kannte sich besser als jeder andere in den kilometerlangen Gängen und Labortrakten unter der Forschungsstation aus. Heute hatte sie sich gleich zwei Mal erfolgreich dort verborgen, als man sie holen wollte, um sie mit zu einem der Raumschiffe zu nehmen. Schließlich hatten die anderen sie vergessen. Die Dronte-Menschen auf Thesis waren zu sehr mit ihrem Aufbruch beschäftigt gewesen. Dem Ruf musste gefolgt werden.
In Leila Irina war die Angst dennoch so frisch wie eine eben geschlagene Wunde. Sie dürfen uns nicht trennen. Sie dürfen es nicht. Der Gedanke war in ihr. Sie benutzte ihn, wie Menschen ein Mantra benutzten, und sie redete sich ein, sich dadurch schützen zu können.
Nun hatte sie ihr Ziel erreicht. Man hatte sie zurückgelassen ohne ihr Geheimnis aufzudecken. Alle Dronte waren gegangen. Doch sie war nicht allein. Das war sie nie gewesen.
Ich bin bei dir , meinte Irina zu ihr. Beruhige dich. Wir haben es geschafft. Sie nannte sich Irina nach dem zweiten Vornamen ihres Mensch-Wirtes.
Erleichterung strömte durch Leila Irina Nikona. Je weiter die Raumschiffe sich entfernten, desto gelöster fühlte sie sich. Vielleicht werden Wir ohne die anderen schon bald sterben. Aber Wir werden Uns nicht verlieren. Mit einem Lächeln auf den menschlichen Zügen ging Leila Irina nach einem letzten Blick auf den Gasriesen Daroka II, der jetzt beinahe vollständig über den dunklen, gezackten Bergen aufgegangen war, zurück zum Nebenschott, das in die siebeneckige Station führte.
*
Die STERNENFAUST II sprang viele Lichtjahre vom Karalon-System entfernt in den Einsteinraum. Der leichte Sondereinsatzkreuzer verfolgte gemeinsam mit dem Schwesternschiff SONNENWIND eine Resonanz-Emission jener rätselhaften Lichtsonden, die die Solaren Welten und die benachbarten Sternenreiche in helle Aufregung versetzt hatten, und die Captain Dana Frost und ihre Crew bereits im Karalon-System beschäftigt hatten.
Während die STERNENFAUST den vereinbarten Rendezvous-Punkt mit dem Schwesternschiff ansteuerte, wurden bereits erste Messungen vorgenommen, die im Bergstromraum nicht durchführbar waren.
Auf dem Panoramaschirm lag die Schwärze des Alls. Nur wenige Sterne glitzerten in weiter Ferne. Eine Übersichtsprojektion der umliegenden Sternenregionen kam auf einem Nebenbildschirm hinzu, der dank der üblichen 3D-Technik einige Zentimeter vor dem Hauptschirm frei in der Luft zu schweben schien. Die Darstellung wurde von Sekunde zu Sekunde konkreter. Stephan van Deyk hatte für ihn einen sehr
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