Die Frau an Seiner Seite
nationalsozialistischen Bewegung war mit Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933 ein Traum in Erfüllung gegangen. Deutschland hatte eine »historische Wende« vollzogen, die durch das Ergebnis der Reichstagswahlen vom 5. März 1933 untermauert worden war. In der Folge sank die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland erstmals unter die Sechsmillionengrenze, es ging nach Jahren der Rezession endlich wieder aufwärts. Ein teuer erkaufter Erfolg, der nur ein Ziel kannte: Deutschland auf einen Krieg vorzubereiten, den damals kaum jemand kommen sah.
An jenem 7. März erblickte Hannelore Renner morgens um 11 Uhr in der Berliner Bavaria-Klinik im Stadtbezirk Schöneberg das Licht der Welt – zwei Monate vor dem errechneten Termin. Die Klinik in der Münchener Straße war das nächstgelegene Krankenhaus zum Wohnsitz des Ehepaars Wilhelm und Irene Renner in der Kaiser-Wilhelmstraße 153 in Berlin-Lankwitz. Die Geburt selbst war reibungslos verlaufen, obwohl Hannelores Mutter nach damaliger Ansicht mit 35 Jahren bereits zu den Spätgebärenden zählte. Große Sorgen indes bereitete den glücklichen Eltern die frühe Geburt des Kindes. Hannelore war als Siebenmonatskind noch vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen und wog weniger als 2500 Gramm. Kurz nach der Geburt musste sie intubiert und vorübergehend künstlich beatmet werden. Die Eltern fürchteten, die inneren Organe könnten durch die kurzfristige Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr Schäden genommen haben. Die Sorgen um das lang ersehnte Wunschkind legten sich erst, als die Ärzte dem Säugling eine erstaunlich gute Konstitution bescheinigten und eine normale Entwicklung prognostizierten.
Sechs Tage nach Hannelores Geburt erschien der stolze Vater, der wenige Wochen zuvor 43 Jahre alt geworden war, auf dem Standesamt in Schöneberg. In »Anwesenheit des Ingenieurs Renner« – so ist es protokolliert – stellte ein Standesbeamter Hannelores Geburtsurkunde aus, die mit der Nummer 58 versehen wurde.
Wilhelm und Irene Renner hatten sich während der »Goldenen Zwanzigerjahre« in Berlin kennengelernt und am 2. Februar 1929 in Bremen, Irenes Geburtsort, standesamtlich geheiratet. Wenige Monate später führte der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise zu Unternehmenszusammenbrüchen, massiver Arbeitslosigkeit und Deflation. Die Renners nahmen das Ende der goldenen Ära allerdings kaum zur Kenntnis. Dank der gesicherten beruflichen Existenz des erfolgreichen Ingenieurs aus der Pfalz blieb die Wirtschaftskrise ohne nennenswerte Auswirkungen auf das sorgenfreie Leben des frisch vermählten Paares.
Wilhelm Renner war am 15. Januar 1890 im pfälzischen »Großdorf« Mutterstadt als erstes von fünf Kindern – drei Jungen und zwei Mädchen – geboren worden. Er stammte keineswegs aus ärmlichen Verhältnissen, wie immer wieder kolportiert wird. In seiner Geburtsurkunde, die die Eltern als der »protestantischen Religion« zugehörig ausweist, wird als Beruf des Vaters Johannes Renner XIII. »Ackersmann und Dreschmaschinenbesitzer« angegeben. Er betrieb eine kleine Landwirtschaft als Nebenerwerb und vermietete seine Dreschmaschine an andere Bauern, was ihm im Sommer eine stattliche Summe Reichsmark einbrachte. Im Hauptberuf war der gelernte Schlosser Werkstattbesitzer und reparierte Fahrräder, Motorräder und landwirtschaftliche Maschinen, später auch Kraftfahrzeuge. Der Betrieb mit einigen Angestellten florierte und galt als eines der führenden Kleinunternehmen in der Region. Die Familie brachte es über die Jahre zu einigem Wohlstand und zählte zu den angesehensten des Dorfes. Zur Unterscheidung der verschiedenen »Renner-Stämme« im Ort behalfen sich die Bürger einer einfachen Zuordnungsmethode: Aufgrund der Haarfarbe hieß Wilhelms Familie Renner-Schwarz, die seines Onkels wurde Renner-Weiß genannt.
Der Erstgeborene von Johannes und Elisabeth Renner, einer geborenen Schorr, zeichnete sich früh durch Zielstrebigkeit und eine gehörige Portion Ehrgeiz aus. Nach einem überdurchschnittlichen Schulabschluss absolvierte er eine Mechanikerlehre, die in den Augen seiner Eltern eigentlich das Ende seiner Ausbildung hätte sein sollen. Doch der aufgeweckte Junge, der vom Elternhaus politisch eher in sozialdemokratischer Richtung erzogen worden war, strebte nach Höherem und wollte Ingenieur werden. Mit 18 Jahren legte er die Prüfung an der Mannheimer Ingenieurschule ab und trug fortan voller Stolz den Titel »Elektroingenieur«.
Nach einem
Weitere Kostenlose Bücher