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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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sich religiöse Hymnen und patriotische Lieder mischen, ziehen beachtliche Massen an. Maria muss sich um die Älteren kümmern: um die Schwiegereltern und die eigenen Eltern, sofern sie noch am Leben sind. Eine der Mütter lebte zu diesem Zeitpunkt noch, 1944 wird sie sterben, ein späterer Brief eines Freundes von Ady berichtet davon. Netje hilft, vermutlich auch Verwandte von Firmin, vielleicht die Schwester, die einmal erwähnt wird. Maria sorgt sich auch um Ady, die während der Kriegsjahre so zart und ernsthaft ist. Bald soll sie in die Schule kommen, wie wird das werden?
    Firmin mit Maria und Ady, nach Kriegsende.
    Wie es Firmin ergangen ist, wird Maria lange nicht erfahren. Alles schien möglich: Vielleicht war er aus der Falle um Antwerpen in die Niederlande entkommen, wie dies etwa 30   000 Mann gelang. Oderer war in deutsche Gefangenschaft geraten, wie das weiteren 30   000 widerfuhr, und war nun auf dem Weg nach Osten. Während sie auf ein Lebenszeichen von ihm wartete, wird sie die beunruhigenden Nachrichten aus Westflandern gehört haben. Die Deutschen trafen dort auf überraschend starken Widerstand belgischer und französischer Truppen. Das belgische Heer hatte Anfang Oktober den Rückzug in den Westhoek begonnen, um sich an der Ijzerfront zwischen Nieuwpoort und Boezinge aufzustellen. Die »Wacht an der Ijzer« sollte beinahe vier Jahre dauern.
    Maria wird von den Kämpfen im Westen und vom Einsatz von Giftgas in Westflandern gehört haben, der Tausenden das Leben kostete.
    Karneval mit Freunden und Freundinnen. Ady (2. v. re.) ist etwa 10 Jahre alt.
    Endlich kommen Nachrichten von Firmin. Er schickt Postkarten, Fotografien, Grüße, wenn es einmal ruhiger zugeht, gestellte Szenen, die zuhause niemanden beunruhigen sollen. Sie erzählen nichts über die wahren Zustände im Stellungskrieg im Westen, nichts über Hunger und Durst, über Rattenplagen, den durchdringenden Gestank verwesender Leichen, Fliegenschwärme und Läuse, nichts von der Todesangst, der Angst, langsam und einsam zu krepieren.
    Eine der Postkarten zeigt Firmin im Kreis von Kameraden, friedlich auf einer Wiese sitzend beim Wein. Ein inszenierter Gruß zur Beruhigung der Lieben daheim: »An meine geliebte Frau und Tochter einen dicken Kuss von eurem Mann und Vater Firmin Van den Eynde 11e de Ligne 3/2 Audruicq«. Audruicq ist ein französisches 3000-Seelen-Dorf etwa fünfzig Kilometer von der belgischen Grenze entfernt. Der Ort verfügte schon damals über eine Eisenbahnanbindung, was den Ort, nur 16 Kilometer im Landesinneren hinter Calais, strategisch interessant machte. Ein ehemaliger deutscherBombenflieger, Georg Wulf, hielt in seinem Tagebuch fest, dass er in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1916 einen Angriff auf ein Munitionsdepot bei Audruicq flog. Munition im Wert von damals 25 Millionen Dollar soll bei dem Angriff explodiert sein, ein britischer Parlamentarier namens King hat diese Zahl und die Bestätigung der Explosion gegenüber UPA in New York abgegeben, das meldete die ›New York Times‹ und, in Siegerlaune, Anfang September ebenfalls die ›Norddeutsche Allgemeine Zeitung‹.
    Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob sich Firmin vor, während oder nach diesem Angriff in Audruicq aufhielt. Die Bilder, die Firmin in Uniform zeigen, erzählen von der schnellen Alterung eines jungen Mannes. Trotz der zur Schau getragenen stoischen Haltung auf den Postkartenfotografien ist die zunehmende Anspannung, die Anstrengung erkennbar.
    Firmin adressierte seine Karte aus Audruicq an Madam Maria Van den Eynde, Groote Dokstraet 13, Antwerpen. Die Dokstraat gibt es nicht mehr, sie wurde umbenannt in Zeevaartstraat und mündet heute in den Waaslandtunnel, der unter der Schelde das Linke Ufer mit Antwerpen verbindet. Die meisten der alten Gebäude, auch das Haus Nummer 13, stehen längst nicht mehr – zwei Kriege, zwei Eroberungen und die vielen Jahre haben ihre Spuren in Antwerpen hinterlassen.
    Es dauerte einige Zeit, bis ich erfuhr, wo Firmin während des Krieges eingesetzt war. Hilfreich dabei war der Belgian Liaison, der Belgische Verbindungsdienst in der Bundesrepublik Deutschland. Firmin war demnach Soldat im 11. Linieregiment, er hatte die Stammbuchnummer 56   378 und kämpfte an der Ijzer während der Schlacht, die hier zwischen dem 17. und dem 31. Oktober 1914 tobte. Für seine Verdienste hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten, unter anderem die Ijzermedaille. Die Urkunden weiterer Ehrungen hatten in Adys Koffer

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