Die Frau des Zeitreisenden
großer^ Augen bewegen sich im Takt mit jeder Schwingung. Sie tickt laut. Es ist 11.45 Uhr.
»Möchtest du was essen?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, vielen Dank.« Nach dem Geschirr auf dem Tisch zu urteilen gab es bei Gomez und Charisse Honigmelone, Rührei und Toast zum Frühstück. Die Kinder hatten Haferflocken, Müsli und irgendwas mit Erdnussbutter drauf. Der Tisch gleicht der archäologischen Rekonstruktion eines Familienfrühstücks aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert.
»Hast du einen Freund?« Ich blicke auf, Gomez lehnt immer noch an der Theke, hält immer noch die Kaffeetasse auf Kinnhöhe.
»Nein.«
»Warum nicht?« .
Das geht dich nichts an, Gomez. »Ist mir noch nicht in den Sinn gekommen.« „ .
»Du solltest aber darüber nachdenken.« Er stellt seine Tasse in die Spüle.
»Warum?«
»Du brauchst etwas Neues. Einen Neuen. Du kannst nicht den Rest deines Lebens herumsitzen und darauf warten, dass Henry auftaucht.
»Klar kann ich. Wie du siehst.«
Zwei Schritte, und Gomez steht neben mir. Er beugt sich zu mir heran, sein Mund ist an meinem Ohr. »Fehlt dir denn nie ... das?« Er leckt meine Ohrmuschel. Doch, das fehlt mir. »Lass mich in Ruhe, Gomez«, zische ich ihn an, weiche aber nicht zurück. Eine Idee lässt mich wie festgenagelt sitzen bleiben. Gomez hebt meine Haare hoch und küsst mich auf den Nacken.
Komm zu mir, ja! komm zu mir!
Ich schließe die Augen. Hände ziehen mich hoch, knöpfen mein Hemd auf. Zunge auf meinem Hals, meinen Schultern, meinen Nippeln. Blindlings taste ich nach vorn und spüre Frottee, ein Badetuch, das herunterfällt. Henry. Hände knöpfen meine Jeans auf, schieben sie nach unten, legen mich rücklings auf den Küchentisch. Etwas fällt zu Boden, es klingt metallisch. Essen und Besteck, der Halbkreis eines Tellers, Melonenschale an meinem Rücken. Meine Beine spreizen sich. Zunge an meiner Möse. »Ohh...« Wir sind auf der Wiese. Es ist Sommer. Eine grüne Decke. Wir haben gerade gegessen, ich spüre noch den Geschmack von Melone im Mund. Zunge trifft auf Leere, nass und weit. Ich öffne die Augen, sehe ein halb volles Glas Orangensaft. Ich schließe die Augen. Das feste, gleichmäßige Stoßen von Henrys Schwanz in mir. Ja. Ich habe sehr geduldig gewartet, Henry. Ich wusste, früher oder später wirst du kommen. Ja. Haut auf Haut, Hände auf Brüsten, stoßen ziehen schmiegsamer Rhythmus geht tiefer ja, oh...
»Henry...«
Alles hört auf. Eine Uhr tickt laut. Ich öffne die Augen. Gomez starrt auf mich herab - gekränkt? wütend? - gleich darauf weicht jeder Ausdruck aus seinem Blick. Eine Autotür knallt. Ich setze mich auf, springe vom Tisch, renne ins Badezimmer. Gomez wirft mir meine Kleider hinterher.
Beim Anziehen höre ich Charisse und die Kinder lachend zur Haustür hereinkommen. Alba ruft: »Mama?«, und ich rufe »Bin gleich da!« Im düsteren Licht des rosaschwarz gekachelten Badezimmers starre ich in den Spiegel. In meinen Haaren kleben Frühstücksflocken. Mein Spiegelbild sieht verloren und blass aus. Ich wasche mir die Hände, versuche mir mit den Fingern die Haare zu kämmen. Was habe ich nur getan? Wie konnte ich das bloß zulassen?
Eine ungefähre Antwort könnte sein: Jetzt reist du durch die Zeit.
Samstag, 26. Juli 2008 (Clare ist 37)
Clare: Albas Belohnung für ihre Geduld in den Galerien, wo Charisse und ich uns Kunst angesehen haben, ist ein Besuch im Ed Debevic, einem kitschigen Diner, das bei Touristen als Geheimtipp gilt. Kaum sind wir durch die Tür, tauchen wir in die überladene Atmospähre der 60er Jahre ein. Die Kinks spielen in voller Lautstärke, und überall prangen Schilder:
»Wenn Sie wirklich ein guter Kunde wären , dann würden Sie mehr bestellen!!!«
»Bitte sprechen Sie laut und deutlich, wenn Sie Ihre Bestellung aufgeben.«
»Unser Kaffee ist so gut, dass wir ihn selber trinken!«
Heute ist offenbar Tag der Luftballontiere: Ein Herr in einem glänzenden purpurroten Anzug zaubert einen Dackel für Alba und verwandelt ihn dann in einen Hut, den er ihr auf den Kopf pflanzt. Sie quietscht vor Freude. Obwohl wir eine halbe Stunde warten müssen, quängelt Alba nicht ein einziges Mal. Sie beobachtet, wie die Kellner und Kellnerinnen miteinander flirten und beurteilt insgeheim die Ballontiere der anderen Kinder. Schließlich eskortiert uns ein Kellner, der eine dicke Hornbrille trägt und ein Namensschild, auf dem SPAZ steht, zu einer Sitznische. Charisse und ich schlagen die Karte
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