Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
da drin gemacht?«
»Einfach schweigend da gesessen«, antwortete Eva. »Ab und zu drehten sie den Kopf und sahen einander an. Wenn ich versuchte, sie herauszuheben, haben sie gebissen und gekratzt. Sie wollten zusammen in ihrer eigenen Pappkartonwelt sein.«
»Es sind begabte Kinder.«
»Aber sind sie glücklich, Brian? Ich kann es nicht sagen, ich liebe sie zu sehr.«
Brian ging zur Tür und blieb dort eine Weile stehen, als wollte er noch etwas sagen. Eva hoffte, er ließ sich nicht zu irgendeiner dramatischen Aussage hinreißen. Die starken Emotionen des Tages hatten sie schon genug mitgenommen. Brian öffnete den Mund, dann überlegte er es sich offensichtlich anders, denn er verließ das Zimmer und schloss leise die Tür.
Eva setzte sich im Bett auf, schlug die Decke zurück und sah zu ihrer Bestürzung, dass sie noch ihre schwarzen Stöckelschuhe trug. Ihr Blick fiel auf den Nachttisch, der mit fast identischen Cremetöpfen und -tuben vollgestellt war. Sie wählte die von Chanel und warf die anderen nacheinander in den Papierkorb am anderen Ende des Zimmers. Sie war gut im Werfen. Sie hatte die Leicester High School für Mädchen bei den Kreismeisterschaften im Speerwurf vertreten.
Ihr Griechischlehrer gratulierte ihr zum neuen Schulrekord mit den Worten: »Sie sind ja eine richtige Athene, Miss Brown-Bird. Und übrigens sehen Sie hinreißend aus.«
Jetzt musste sie aufs Klo. Sie war froh, dass sie Brian überredet hatte, die Wand zur Abstellkammer durchzubrechen und Bad und Toilette einzubauen. Alle anderen in ihrer Straße mit edwardianischen Häusern hatten das längst getan.
Das Haus der Bibers war 1908 erbaut worden. So stand es unter dem Dachvorsprung. Die edwardianischen Ziffern wurden umrahmt von einem Steinfries mit stilisiertem Efeu und wildem Wein. Es gibt Hauskäufer, die wählen ihr zukünftiges Zuhause nach rein romantischen Gesichtspunkten aus, und Eva gehörte dazu. Ihr Vater hatte Woodbine-Zigaretten geraucht, und die grüne, mit wildem Wein verzierte Packung war fester Bestandteil ihrer Kindheit gewesen. Glücklicherweise hatte vorher ein zeitgenössischer Ebenezer Scrooge in dem Haus gewohnt, der sich gegen den Sechziger-Jahre-Wahn gewehrt hatte, alles zu modernisieren. Es war unversehrt, mit großen Zimmern, hohen Decken, Stuck, Kaminen und gediegenen Eichentüren und -dielen.
Brian hasste es. Er wollte eine »Wohnmaschine«. Er sah sich in einer modernen weißen Küche neben der Espressomaschine auf seinen Morgenkaffee warten. Er wollte keine halbe Meile vom Stadtzentrum entfernt wohnen. Er wollte einen Kasten aus Glas und Stahl im Le-Corbusier-Stil mit Blick auf die Natur und einen weiten Himmel. Dem Makler hatte er erklärt, dass er Astronom war und dass seine Teleskope nicht mit der Lichtverschmutzung klar kamen. Der Makler hatte Brian und Eva angesehen, völlig entgeistert, dass zwei Menschen mit so gegensätzlichen Persönlichkeiten und Geschmäckern überhaupt geheiratet hatten.
Irgendwann hatte Eva Brian darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht in einem minimalistischen Baukastensystem jenseits jeder Straßenbeleuchtung leben wollte, sondern in einem richtigen Haus. Brian hatte gekontert, dass er nicht in einem alten Gemäuer leben wollte, in dem Menschen gestorben waren, mit Wanzen, Flöhen, Ratten und Mäusen. Als er das edwardianische Haus zum ersten Mal gesehen hatte, beschwerte er sich, er habe das Gefühl, dass ihm »ein Jahrhundert Staub die Lunge verstopft«.
Eva gefiel, dass sich das Haus gegenüber einer anderen Straße befand. Durch die großen, stattlichen Fenster konnte sie die hohen Gebäude des Stadtzentrums sehen und dahinter Wald und die freie Natur.
Am Ende hatten sie, dank einer extremen Knappheit an modernem Wohnraum im ländlichen Leicestershire, die Villa in der Bowling Green Road 15 für 46 999 Pfund gekauft. Im April 1986 zogen Brian und Eva ein, nachdem sie drei Jahre bei Brians Mutter Yvonne gewohnt hatten. Eva hatte nie bereut, dass sie sich mit dem Haus gegen Brian und Yvonne durchgesetzt hatte. Es war die drei Wochen Schmollen, die folgten, wert gewesen.
Als sie das Licht im Bad anschaltete, sah sie sich mit einer Vielzahl ihrer eigenen Spiegelbilder konfrontiert. Eine dünne Frau mittleren Alters mit kurzen blonden Haaren, hohen Wangenknochen und hellgrauen Augen. Auf ihren Wunsch – sie dachte, der Raum würde dann größer wirken – hatten die Handwerker an drei Wänden große Spiegel eingebaut. Am liebsten hätte sie ihnen gesagt,
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