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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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jüngeren Ohren sensibler.
    »Da!«
    »Was?«
    »Schsch!«
    Es klingt ab. Hat sie es sich nur eingebildet? Die Frustration, etwas zu sehen, das andere nicht sehen können, ein Vogel, der durchs Unterholz flitzt, getarnt zum Schutz vor Räubern. An dem Tag mit Yvette auf dem Berg in Schottland.
    »Da!«
    »Wo?«
    »Da drüben. Sieh doch!« Ein Moorhuhn vielleicht, das durchs Heidekraut huscht, lieber nicht fliegt, weil es sich sonst verrät – wenn du auffliegst, schießen sie dich ab. Laufen ist sicherer. Das Nächste, was sie gesehen oder gehört hatten, war die Gruppe Auszubildende aus der Swordland Lodge gewesen, mit Benoît …
    »Da ist es wieder!« Das Geräusch kehrt mit größerer Gewissheit zurück, ein Murmeln in der Nacht, das zu einem Brummen wird, einem angedeuteten Dröhnen.
    »Ja!«, sagt Gilbert. Und jetzt besteht kein Zweifel mehr – ein Flugzeugmotor, das Geräusch schwillt an und schwindet wieder, je nachdem, wie der Wind weht, pendelt sich ein, wird lauter, verwandelt sich in ein stetiges Trommeln. Sie starren angestrengt nach oben, um etwas zu erkennen, während der Lärm zunimmt. Gilbert leuchtet mit seiner Taschenlampe in den Nachthimmel, morst den Buchstaben M. Und die Antwort erfolgt prompt, ein kleiner Stern, der in der Finsternis blinkt.
    »Das ist es!«
    Alice schaltet die erste Lampe an und rennt los zu den anderen Lichtern, stolpert über den harten, unebenen Boden, wieder ein Kind, das durch den Mondschein läuft. Sie erreicht die zweite Taschenlampe und schaltet sie ein, läuft dann weiter zur dritten. Über ihr trommelt der Flugzeugpropeller auf die Dunkelheit ein. Als sie zu den wartenden Männern zurückeilt, kann sie die Bewegung der Lysander am Nachthimmel sehen, ein schwarzes Tuch, das Sternenstaub wegwischt. Die Maschine dreht auf sie zu, hängt an den Flügeln wie ein Greifvogel, der sich auf seine Beute stürzt, im Luftstrom geneigt, und das Motorengeräusch schwillt an und ab, wenn der Pilot mal mehr, mal weniger Gas gibt. Die Form wird größer und größer. Für einen Moment gehen die Landescheinwerfer an, Augen, die aus den Radverkleidungen starren, hell wie Rampenlichter im Theater, sodass sie auf einmal so bloßgestellt sind wie Figuren auf einer Bühne. Dann schießt das Ding an ihnen vorbei, setzt mit den Rädern auf, hüpft wieder hoch, setzt erneut auf, rumpelt die mit Lampen abgesteckte Landebahn hinunter, nimmt Gas weg und rollt weiter als die zweite Lampe, wendet dann aber wie vorgesehen, dreht nach rechts in Richtung der dritten Lampe, kommt dann zu der Stelle zurück, wo sie neben der ersten stehen und warten, ganz benommen von dem Krach.
    »Was für ein Heidenlärm!«, brüllt sie so laut sie kann.
    Der Luftsog erfasst sie, als die Maschine noch einmal wendet, sich in den Wind dreht und dann mit dem linken Flügel über der ersten Lampe stehen bleibt. Der Pilot winkt aus dem Cockpit, und Gilbert läuft zu ihm, um mit ihm zu reden. Hinten im Cockpit bewegen sich zwei Gestalten. Die Lukentür gleitet auf, und ein Mann ruft über den Motorenlärm: »Ist das hier Le Bourget?« Er schwingt ein Bein über den Lukenrand, ertastet die erste Sprosse der Leiter und ist im Nu auf dem Boden, und sein Kollege reicht ihm Koffer nach unten.
    »Alles in Ordnung?«, brüllt er über die Schulter. »War ein verdammt guter Flug. Kinderspiel. Ich bin David. Du liebe Zeit, eine Lady!«
    »Ich bin Alice.«
    »Wie viele fliegen raus?«
    »Zwei.«
    Clément schüttelt ihm die Hand. Sie kann seine Miene im Halbdunkel sehen – Erstaunen. Wie ein Kind vor einem Weihnachtsbaum.
    »Einer aus der Firma?«
    »Nein.«
    »Also ein hohes Tier.«
    Sie reichen Cléments Koffer hoch und warten dann, bis der zweite Passagier ausgestiegen ist, ein älterer Mann mit einem struppigen Schnurrbart und Stoppeln am Kinn. Er sieht aus wie ein Ganove. Vielleicht ist er ja ein Ganove. Vorn an der Nase des Flugzeugs ruft Gilbert etwas, seine Worte werden vom Luftsog weggewirbelt und erreichen sie nur in Fetzen. »Kommt … Gänge! Wir … Zeit … vergeuden!«
    Sie wendet sich Clément zu. » DU ZUERST !«, brüllt sie. Das Chanson geht ihr durch den Kopf: Puisque vous partez en voyage / Puisque nous nous quittons ce soir. Gehorsam klettert er die Leiter seitlich an der Maschine hoch und ins Cockpit. Sie folgt ihm, sieht zu, wie er sich hinsetzt, hilft ihm mit den Fallschirmgurten.
    Dann deutet sie nach unten auf den Boden. » MEIN KOFFER !«
    Er nickt und sagt etwas, doch seine Worte werden vom Luftsog

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