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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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ist, dem Official Secrets Act unterliegt. Das ist Ihnen doch wohl klar, oder? Ihre Ausbildung zum Beispiel. Wohin Sie gehen und was Sie sehen und was Sie tun, wenn Sie dort sind. Alles. Ich weiß, Ihre Arbeit beim Frauenhilfskorps ist auch geheim gewesen, aber das hier ist nicht ganz das Gleiche. Die Geheimnisse des Filterraums sind klar umrissen, aber das trifft keineswegs auf unsere Arbeit zu. Von nun an ist nicht mehr nur Ihre Arbeit geheim; von nun an ist Ihr ganzes Leben geheim. Das zwingt Sie, ständig Entscheidungen zu treffen. Sie müssen lernen, genug zu sagen, um die Neugier anderer zu dämpfen, ohne jemals irgendetwas zu sagen, das ihre Neugier weckt. Verstehen Sie, was ich meine? Sie müssen langweilig und uninteressant wirken. Das erfordert ein besonderes Geschick.«
    »Das sollte ich hinkriegen.«
    »Ich schlage vor, Sie erzählen den Leuten, dass Sie eine vorbereitende Ausbildung zur Verbindungsoffizierin absolvieren, mit dem Ziel eines Auslandseinsatzes. Bei Ihren vorzüglichen Französischkenntnissen bietet sich da Algerien an. Sie könnten eine Andeutung in diese Richtung machen, aber Sie sollten es nicht ausdrücklich sagen. Wir sehen es gern, wenn unsere Leute lernen, freundlich zu plaudern, ohne etwas zu sagen. Sie sollten sich von jetzt an darin üben. Und ich sage Ihnen gleich, dass mir laufend Bericht erstattet wird, damit ich weiß, wie gut Sie mit derlei Dingen klarkommen. Ihr Verhalten steht unter ständiger Beobachtung. Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Nicht jeder besitzt die Fähigkeiten, auf die es uns ankommt, und viele schaffen die Ausbildung nicht. Aber ich versichere Ihnen, dass Scheitern keine persönliche Schande ist. Es bedeutet lediglich, dass Sie nicht all die Fähigkeiten besitzen, die uns wichtig sind. Wir suchen nach ganz speziellen Begabungen, Marian, nach wirklich ganz speziellen Begabungen.«
    Spezielle Begabungen, das hörte sich an wie spezielle Freundschaften, jene Beziehungen, die sich an den Grenzen zur Sünde bewegten und bei den Nonnen Ängste weckten. »Offen gestanden«, fügte Miss Atkins mit einem Anflug von Widerwillen hinzu, »manche der Fähigkeiten, nach denen wir suchen, sind vielleicht nicht unbedingt bewundernswert.«
    IV
    Das Hotel, in das man sie einquartierte, lag in einer schmalen Sackgasse versteckt hinter der Regent Street. Viele der Gäste waren offenbar Stammkunden, und der Portier schien die meisten mit Namen zu kennen. »Guten Abend, Miss«, begrüßte er Marian, als sie durch die Drehtür trat. »Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Aufenthalt.« Und seine Miene ließ erahnen, dass er trotz aller Ermahnungen zur Geheimhaltung genau wusste, was es mit dieser jungen Frau mit dem ramponierten Koffer und dem schlichten grauen Kostüm auf sich hatte.
    Sie ging nach oben in ihr Zimmer, hängte ihre Kleidung in den Schrank und warf die neue Uniform aufs Bett. Es war eine hässliche Kreation aus kakifarbenem Wolltuch. F.A.N.Y. stand auf den Schulterstreifen. Eine alberne Abkürzung, wie ein komischer Vorname. Die Uniform lag leblos auf dem Bett, ein Leichnam, der in ihr Leben geschleppt worden war, etwas, wofür sie eine plausible Erklärung liefern musste, wenn sie das nächste Mal nach Hause kam. Das Ganze kam ihr lächerlich vor. Sie war bereits in der WAAF , und jetzt sollte sie partout auch noch diesem merkwürdigen Korps mit dem idiotischen Akronym angehören. Wer immer die waren – »Inter-Services Research Bureau« nannten sie sich –, sie konnten anscheinend alles machen, wozu sie Lust hatten.
    Sie sah sich unschlüssig im Zimmer um. Was sollte sie tun? Es war noch viel zu früh, um zu Ned zu fahren. Sie hatte ihn angerufen und gesagt, dass sie vorübergehend in London war, und er hatte sie zum Abendessen eingeladen. Sie würde erklären müssen, warum sie in London war, was ein bisschen schwierig werden könnte. Erklären Sie nichts, hatten die gesagt.
    Die . Sie hatte kein anderes Wort für diese Leute, den seltsamen Colonel Buckmaster und die unterkühlte Miss Atkins und ihre diversen Lakaien. Vielleicht beobachteten die sie genau in diesem Augenblick, um zu sehen, wie sie sich verhielt. Der Gedanke amüsierte und ängstigte sie zugleich. Sie sah sich in dem biederen Zimmer mit dem verschnörkelten Schrank, dem dick gepolsterten Sessel und dem übergroßen Bett um. Verborgene Mikrofone? Versteckte Kameras? Sie trat vor den Spiegel in der Schranktür und begutachtete sich. Was würden die sehen? Marian Sutro oder Marianne Sutró ?

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