Die Frau im Rueckspiegel
Sie taten es einfach. Christiane wies über die Schulter nach hinten. »Der Wagen steht gleich da.«
Barbara jauchzte entzückt. »Ich liebe es, in diesem Schlitten abgeholt zu werden. Schon allein dafür würde ich es machen.«
Christiane blickte verständnislos. Machen? Was machen? Na . . . was auch immer. »Also dann«, sagte sie leicht verwirrt.
Barbara schlüpfte auf die Rückbank des Mercedes. Christiane nahm ihren Platz hinter dem Lenkrad ein.
»Rebecca hat wirklich was drauf, finden Sie nicht?« Barbaras Kopf schob sich zwischen den beiden Vordersitzen nach vorn.
»Was?« Wovon sprach das Mädchen? Wer war Barbara Groß überhaupt? Doch wohl keine Geschäftspartnerin!
»Sie ist jedenfalls nicht wie andere«, plapperte Barbara munter drauflos. »Kein bißchen exzentrisch. Man kann sich ganz natürlich bei ihr geben. Keine verkrampften Posen. Sie überläßt einem die Initiative. Sie wissen schon.«
Nein, ich weiß nicht. Und ich glaube, ich will es auch nicht wissen. Nicht, wenn es das ist, wonach es sich anhört!
Barbara fiel seufzend in die Polster der Rückbank. »Schade, daß heute meine letzte Sitzung ist. Rebecca macht nie mehr als drei Treffen mit einem.« Erneutes Seufzen. »Die Bezahlung ist wirklich spitze. Zweihundert pro Stunde. Ich bin meiner Freundin noch was schuldig, weil sie mich empfohlen hat. Rebecca ist der Geheimtip unter den Kolleginnen.«
Christiane blieb beinahe die Luft weg. Das ist jetzt nicht wahr!
Rebecca Reklin, die Frau, die Seriosität predigte, die so viel Wert auf Stil legte – war der Geheimtip von Frauen . . . in der Dienstleistungsbranche?!
»Wenn sie einen so anschaut«, schwärmte Barbara. »Ihre Augen machen mich manchmal etwas wuschig. Aber ich bin Profi. Ich weiß, das alles ist rein professionell. Waren Sie schon mal bei ihr im . . .«
»Nein«, unterbrach Christiane den Redeschwall ihres Fahrgastes abrupt. »Und . . . meiner Chefin würde es sicher nicht gefallen, daß Sie mir das alles erzählen. Sie trennt Privates und Berufliches. Ich bin ihre Angestellte, also beruflich. Sie sind . . . privat.«
»Ach, echt?« Dann: »Sie macht wirklich nicht so einen verkrampften Eindruck. Aber okay, wenn Sie meinen.«
Christiane atmete auf. Endlich war Ruhe auf den hinteren Plätzen.
Nein, sie wollte so was wirklich nicht hören. Rebecca und solche Mädchen. Das war doch weit unter dem Niveau der Frau. Das war – billig, auch wenn sie es sich was kosten ließ. Das hatte Rebecca doch gar nicht nötig!
Was weißt du denn über Rebecca Reklin?! Du kennst sie gerade mal drei Tage. Du hast keine Ahnung, wie sie ist.
Offensichtlich hatte Rebecca neben ihrer dominanten, autoritären noch eine andere Seite. Eine ordinäre, zynische. Das war doch gar nicht so abwegig, oder? Christiane war enttäuscht. Irgendwie hatte sie gehofft, Rebeccas andere Seite wäre netter. Immerhin bewies sie hier und da einen Anflug von Humor.
Christiane stoppte den Wagen am Eingang zu Rebeccas Grundstück. Langsam rollte das Tor zur Seite.
»Danke fürs Bringen. Für zurück ruft sie mir ein Taxi. Man weiß ja nie, wie lange es dauert«, verabschiedete Barbara sich kurz darauf.
Während Christiane den Mercedes die Auffahrt langsam wieder hinabrollen ließ, schaute sie in den Seitenspiegel. Rebecca öffnete selbst die Tür und ließ Barbara hinein. Hanna war offensichtlich schon gegangen.
»Du kommst spät«, begrüßte Judith ihre Freundin und schaute demonstrativ auf die Uhr. Wie jeden Mittwoch trafen sie und Christiane sich in ihrer Stammpizzeria.
»Sorry, ich mußte noch eine Extratour fahren.« Christiane setzte sich zu Judith an den Tisch.
»Schon in der ersten Woche Überstunden? Sagtest du nicht, der Job sei total locker?«
Christiane hörte nicht weiter hin. »Ich habe einen Bärenhunger. Laß uns bestellen.« Sie verschwendete keine Zeit mit der Menükarte, die kannte sie in- und auswendig, sie machte gleich einen der Kellner auf sich aufmerksam. Der kam lächelnd zu ihnen.
»Hallo, wißt ihr schon, was ihr wollt?«
»Einmal Pizza Hawaii und einmal . . .?« Christiane sah ihre Freundin fragend an.
». . . Pizza Thunfisch«, äußerte Judith ihren Wunsch.
»Und zwei Bier«, bestellte Christiane. Darin waren Judith und sie sich einig, da mußte sie nicht extra fragen.
Der Kellner nickte. Mit einem »Kommt sofort« entfernte er sich.
»Ist wohl doch stressiger, als du dachtest, dieser neue Job«, nahm Judith das Gespräch wieder auf.
»Nein,
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