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Die Frau in Schwarz

Die Frau in Schwarz

Titel: Die Frau in Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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im Flurlicht und im Vollmondschein sah ich nur einen einzigen Mann: Keckwick. Und hinter ihm das Pferd und den Wagen. Alles schien real, völlig normal und gänzlich unversehrt. Die Luft war klar und kalt, und unzählige Sterne funkelten am Himmel. Die Marschen lagen still und schimmerten silbern im Mondschein. Kein Nebelhauch war zurückgeblieben, kein Wölkchen, keine Spur von Feuchtigkeit hing in der Luft. Alles hatte sich verändert, so drastisch geändert, als würde ich mich auf einer anderen Welt befinden und alles Vorherige einem Fiebertraum entsprungen sein.
    »Man muss warten, bis so ein Fret sich auflöst. Unmöglich, während eines Frets über den Damm zu kommen«, erklärte Keckwick sachlich. »Sie hatten Pech.«
    Meine Zunge klebte am Gaumen, meine Knie drohten unter mir nachzugeben.
    »Und danach heißt’s auf die Ebbe warten.« Er blickte sich um. »Unguter Ort. Das werden Sie bald selbst herausfinden.«
    Da erst blickte ich auf meine Uhr und sah, dass es fast zwei Uhr früh war. Die Ebbe hatte eingesetzt, und der Damm war wieder frei. Ich hatte nahezu sieben Stunden geschlafen, fast so lange, wie ich es in einer gewöhnlichen Nacht tat. Doch jetzt lagen noch Stunden bis zum Morgengrauen vor mir, und ich fühlte mich elend und zerschlagen und so müde, als hätte ich stundenlang wach gelegen und vergebens auf den Schlaf gewartet.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie um diese Zeit zurückkommen«, stammelte ich. »Das ist sehr freundlich von Ihnen …«
    Keckwick schob seine Mütze ein wenig zurück, um sich die Stirn zu kratzen. Da erst sah ich, dass seine Nase und ein großer Teil seiner unteren Gesichtshälfte mit kleinen Beulen, Knoten und Warzen verunstaltet und tiefrot war.
    »Ich hätt Sie nicht über Nacht da’lassen«, sagte er schließlich. »Hätt ich Ihnen nicht angetan.«
    Einen Moment lang fühlte ich mich besser, denn dieses ganz selbstverständliche Gespräch rückte alles wieder zurecht. Tatsächlich war ich unendlich froh, dass er da war, ja, ich war in meinem ganzen Leben nie so froh gewesen, einen Menschen zu sehen – und sein gedrungenes Pferd, das geduldig wartete.
    Doch da überfluteten mich die Erinnerungen, und es platzte aus mir hinaus: »Aber was war mit Ihnen, wie können Sie hier sein? Wie sind Sie herausgekommen? « Mein Herzschlag stockte, als mir bewusst wurde, dass natürlich nicht Keckwick und seine Kalesche im Schwemmsand versunken waren, sondern jemand mit einem Kind. Und sie waren tot, die Marsch hatte sie geholt, das Wasser hatte sich über ihnen geschlossen, und nichts an der glatten, schimmernden Oberfläche verriet, wo. Aber wer war an einem dunklen Novemberabend, zu einer so trügerischen Zeit über den Damm gefahren? Wohin hatten sie gewollt? Woher waren sie gekommen? Hier war das einzige Haus weit und breit, es sei denn, an meinen Überlegungen, dass die Frau in Schwarz in der Nähe wohnte, war was dran.
    Keckwick blickte mich scharf an, und mir wurde bewusst, dass ich ziemlich mitgenommen aussehen musste, so gar nicht wie der nüchterne, selbstsichere Anwalt, den er am Nachmittag hier abgesetzt hatte.
    Er deutete auf die Kalesche. »Besser, Sie steigen ein«, forderte er mich auf.
    »Ja … aber gewiss …«
    Er hatte sich unvermittelt umgedreht und stieg auf den Kutschbock. In seinen warmen Mantel gehüllt, den Kragen bis übers Kinn hochgeschlagen, blickte er geradeaus und wartete. Dass ihm meine Verfassung durchaus klar war und er wusste, dass mir etwas zugestoßen war, was ihn nicht im Geringsten überraschte, war offensichtlich. Und sein Benehmen und seine Haltung sagten mir unmissverständlich, dass er nichts darüber hören wollte und nicht vorhatte, Fragen zu stellen oder zu beantworten, ja überhaupt über die Sache zu reden. Er würde mich kutschieren, und das zuverlässig zu jeglicher Stunde, aber nur das und nicht mehr.
    Schnell und stumm kehrte ich ins Haus zurück, um alle Lichter auszuschalten, dann stieg ich in die Kalesche und ließ mich von Keckwick und seinem Pferd wegbringen, über die stillen, auf gespenstische Weise schönen Marschen im Mondschein. Das Schaukeln der Kalesche lullte mich in eine Art Halbschlaf. Mein Kopf schmerzte entsetzlich, und mein Magen verkrampfte sich immer wieder vor Übelkeit. Ich schaute mich nicht um, doch hin und wieder blickte ich zum Himmel, und die vertrauten Sternbilder waren tröstlich und beruhigend. Wenigstens dort oben war noch alles unverändert und in Ordnung. Doch nichts sonst, weder in

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