Die Frau mit dem roten Herzen
handelt es sich um einen Triaden-Mord. Das Opfer wies mehrere Axtwunden auf. Haben Sie etwas darüber gehört?«
»Ich glaube, ich habe im Xinming-Abendblatt davon gelesen.«
»Das Opfer könnte in einem Hotelzimmer oder in einem Etablissement wie dem Ihren ermordet worden sein.«
»Aber das ist doch nicht Ihr Ernst, Oberinspektor Chen.«
»Ich sage ja nicht, daß es hier passiert ist, Generalmanager Gu. Das war keineswegs als Anschuldigung gemeint. Aber Sie sind doch gut informiert und verkehren in diesen Kreisen. Das Dynasty ist der führende Karaoke-Club der Stadt«, sagte Chen und klopfte Gu anerkennend auf die Schulter. »Einige der Clubs und gewisse andere Häuser sind die ganze Nacht über geöffnet und betreiben keine ordentlichen Geschäfte wie Sie. Das Opfer war im Schlafanzug und hatte kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr. Ich gebe Ihnen diese Details natürlich im Vertrauen auf Ihre Diskretion.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich, Oberinspektor Chen. Ich werde mich bemühen, Ihnen behilflich zu sein.«
»Sehr zu Dank verpflichtet, Generalmanager Gu. Wie man so sagt: ›Manche Menschen können einander ein Leben lang nicht verstehen, nicht einmal mit weißem Haar; anderen dagegen gelingt es, kaum daß sie den Hut lüpfen.‹« Chen erhob sich. »Es freut mich, daß wir uns heute kennenlernen konnten. Jetzt muß ich leider gehen. Bitte machen Sie mir die Rechnung.«
»Als mein Freund dürfen Sie nicht von Geld sprechen. Das wäre ein schrecklicher Gesichtsverlust für mich.«
»Das dürfen Sie ihm nicht antun, Oberinspektor«, mischte sich Catherine ein.
»Hier sind zwei VIP-Karten«, sagte Gu. »Eine für Sie und eine für Ihre schöne amerikanische Freundin. Sie müssen uns bald wieder beehren.«
»Aber gerne.« Als sie hinausgingen, hakte sich Catherine lächelnd bei Chen unter.
Das war eine genau kalkulierte Botschaft an Gu: Auch der Oberinspektor hatte seine Schwächen. Sie ließ seinen Arm nicht los, bis sie das Gebäude verlassen hatten und in der Menge untergetaucht waren. Erst im Auto begannen sie zu reden.
Die Fliegenden Äxte waren also auf der Suche nach Wen, und nicht nur in Fujian. Es schien ihnen dringend zu sein. »Herumirren wie eine kopflose Fliege …«, genau wie sie selbst es taten. Und wenn sie Wen bis zum vierundzwanzigsten April nicht gefunden hätten, dann wäre das ein Sieg für die Gangster.
15
E RST ALS DAS H OTEL in Sicht kam, fiel es ihm wieder ein: »Ich habe Ihnen ja ein Abendessen versprochen! Das habe ich völlig vergessen, Inspektor Rohn.«
»Es ist ja erst fünf Uhr. Ich bin noch gar nicht hungrig.«
»Was halten Sie vom Deda? Das ist nicht weit von Ihrem Hotel. Wir könnten zu Fuß hingehen.«
Das Deda war ein zweistöckiges Restaurant an der Kreuzung Nanjing und Sichuan Lu. Seine Fassade im europäischen Stil bildete einen scharfen Kontrast zum Eingang des in unmittelbarer Nähe gelegenen Zentralmarkts.
»Während der Kulturrevolution hieß es ›Arbeiter-, Bauern- und Soldaten-Restaurant‹«, erklärte Oberinspektor Chen. »Jetzt hat es wieder seinen alten Namen, Deda, was soviel bedeutet wie ›Das große Deutsche‹«
Das Erdgeschoß war besetzt von jungen Leuten, die rauchten, redeten und Sehnsüchte oder Erinnerungen in ihre Kaffeetassen rührten. Er führte Catherine in den ersten Stock, wo auch Speisen serviert wurden. Sie suchten sich einen Tisch am Fenster mit Aussicht auf die Nanjing Lu. Sie bestellte ein Glas Weißwein, er Kaffee und ein Stück Zitronen-Tarte. Auf seine Empfehlung hin probierte sie ein Stück von der Hausspezialität, der Maronencremetorte.
»Sie tun nichts ohne guten Grund, Oberinspektor Chen. Im Dynasty wirkten Sie wie ein Fisch in Triadengewässern.«
»Eine harte Nuß wie Gu zu knacken braucht Zeit. Und Zeit haben wir nicht. Daher habe ich mich zu einer etwas unkonventionellen Vorgehensweise entschlossen.«
»Ihre Darbietung war eindrucksvoll; Freunde gewinnen und Gefälligkeiten austauschen.«
»Ich verrate Ihnen ein Geheimnis. Zu meinen Lieblingsbüchern zählen auch Kung-Fu-Romane.«
»Vergleichbar mit amerikanischen Western. Die Leute wissen, daß sie es mit Erdachtem zu tun haben, amüsieren sich aber trotzdem.«
»Man könnte sagen, daß die heutigen Triaden ein trauriger Abklatsch der strahlenden Welt der Kung-Fu-Romane sind. Natürlich gibt es Unterschiede, aber viele der Wertvorstellungen sind gleich. Da ist zum Beispiel yiqi , der ethische Kode der Bruderschaft und Loyalität, der vorschreibt, daß
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