Liebe und andere Zufalle
1
Es war einmal vor langer Zeit , dachte Minerva Dobbs, als sie inmitten einer von Lärm erfüllten Yuppie-Bar stand, da war die Welt noch voller brauchbarer Männer . Sie blickte in das Gesicht des gut aussehenden Mannes, den sie als ihren Begleiter für die Hochzeit ihrer Schwester vorgesehen hatte, und kam zu dem Schluss: Diese Zeiten sind vorüber .
»Unsere Beziehung bringt mir nichts«, erklärte David.
Ich könnte ihm dieses Cocktail-Rührstäbchen ins Herz sto ßen , dachte Min. Sie würde es natürlich nicht tun. Das Stäbchen war aus Plastik und bei weitem nicht stabil und spitz genug. Außerdem tat man so etwas im südlichen Ohio nicht. Eine abgesägte Schrotflinte, das wäre das Mittel der Wahl.
»Und wir wissen auch beide, warum nicht«, fuhr David fort.
Wahrscheinlich war ihm nicht einmal klar, wie dämlich er sich anhörte; er hielt sich wahrscheinlich für sehr überlegen und erwachsen. Ich weiß wenigstens, dass ich vor Wut koche , dachte Min. Sie ließ zu, dass der Zorn sich in ihr ausbreitete, bis ihr von oben bis unten warm wurde; das war mehr, als David je bei ihr bewirkt hatte.
Irgendwo an der großen, rouletteschüsselförmigen Bar läutete jemand eine Glocke. Noch ein Minuspunkt für David: Er gab ihr in einer Bar mit anzüglichem Namen den Laufpass, im The Long Shot - »Blattschuss«. Der Name allein hätte sie abschrecken müssen.
»Tut mir Leid, Min«, meinte David, was offensichtlich gelogen war.
Min verschränkte die Arme vor der Brust, um ihm keine Ohrfeige zu verpassen. »Ist es, weil ich heute Nacht nicht mit zu dir kommen will? Es ist doch Mittwoch, ich muss morgen arbeiten und du auch. Außerdem habe ich meinen Drink selbst bezahlt.«
»Das ist es nicht.« David blickte edel und verletzt zugleich drein, wie es nur die groß gewachsenen, dunkelhaarigen und selbstgerechten Männer schaffen. »Du bemühst dich überhaupt nicht darum, dass unsere Beziehung funktioniert, das heißt …«
…das heißt, wir sind jetzt seit zwei Monaten liiert, und ich will immer noch nicht mit dir schlafen . Min wandte sich ab und blickte sich in der angeregt schwatzenden Menge um. Wenn ich jetzt ein Gift hätte, das keine Spuren hinterlässt, könnte ich es in seinen Drink kippen, und keiner von diesen Hampelmännern würde es bemerken .
»… und ich finde, wenn unsere Beziehung Zukunft haben soll, müsstest du auch etwas dazu beitragen«, schloss David.
Oh, das finde ich nicht , dachte Min und wusste, dass der Punkt an David ging. Trotzdem war das Nichtstattfinden von Sex keine Entschuldigung dafür, sie drei Wochen vor einem Ereignis sitzen zu lassen, bei dem sie ein Brautjungfernkleid tragen musste, das sie wie eine fette, hirnlose Schäferin aussehen ließ. »Natürlich hat unsere Beziehung Zukunft, David«, erwiderte sie und versuchte, ihre Wut zu zügeln. »Wir haben doch einiges vor. Diana heiratet in drei Wochen, und du bist zur Hochzeit eingeladen; und zum Familienessen am Vorabend; und zum Herrenpolterabend . Willst du wirklich die Stripper-Nummer verpassen, David?«
»Ist das alles, was ich dir bedeute?« Davids Stimme schraubte sich in die Höhe. »Ein Begleiter für die Hochzeit deiner Schwester?«
»Natürlich nicht«, beschwichtigte Min. »Genauso wie ich sicher bin, dass ich mehr für dich bin als eine fürs Bett.«
David öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Na ja, natürlich. Denke bitte nicht, dass es wegen dir ist. Du bist intelligent und erfolgreich, du bist eine vernünftige Frau …«
Min lauschte und wusste, dass Du bist schön , du bist schlank nicht kommen würde. Wenn er doch nur einen Herzanfall bekäme. Zwar ereigneten sich nur vier Prozent aller Herzanfälle bei Männern unter vierzig, aber es wäre doch immerhin möglich. Und wenn er tot wäre, könnte nicht einmal ihre Mutter von ihr erwarten, ihn zur Hochzeit mitzubringen.
»… und du würdest eine wunderbare Mutter abgeben«, endete David.
»Danke«, erwiderte Min. »Wie unromantisch.«
»Ich dachte, das mit uns würde irgendwohin führen, Min«, schob David nach.
»Na klar«, meinte Min und sah sich in der protzigen Bar um. »Hierher zum Beispiel.«
Mit einem Seufzer nahm David ihre Hand. »Ich wünsche dir alles Gute, Min. Lass uns in Kontakt bleiben.«
Min zog ihre Hand zurück. »Du hast doch keine Schmerzen im linken Arm, oder?«
»Nein«, antwortete David stirnrunzelnd.
»Schade«, versetzte Min und kehrte zu ihren Freundinnen zurück, die sie über den Raum hinweg beobachtet
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