Die Frau mit dem roten Herzen
Geheimgesellschaften in Verbindung?«
»Verbindungen hat er sicher. Sie müssen also vorsichtig sein.«
»Geht es dabei um die Leiche im Park oder um den anderen Fall?«
»Möglicherweise um beides«, sagte Chen und beendete das Gespräch. Vielleicht hatte Catherine Rohn recht. Doch bevor er sich weitere Gedanken machen konnte, klingelte sein Handy.
Diesmal war Parteisekretär Li am Apparat.
16
C ATHERINE WAR ALLEIN in ihr Hotel zurückgekehrt.
Sie schlüpfte aus den Schuhen, rieb ihren Knöchel und trat dann ans Fenster. Auf dem Fluß zogen vor brennendroten Wolken Schiffe dem Ostchinesischen Meer zu. Unter ihr eilten Menschen den Bund entlang; den Blick starr geradeaus, hasteten sie in die unterschiedlichsten Richtungen. Einer von ihnen konnte Oberinspektor Chen sein, der mit seiner Aktentasche ihrem Hotel zustrebte.
Sie wandte sich vom Fenster ab und starrte das dicke Aktenbündel auf ihrem Tisch an. Das sie seinem Kommen freudig entgegensah, hatte, so versicherte sie sich, rein berufliche Gründe. Sie wollte mit ihm die neue Richtung besprechen, die die Ermittlungen nach ihrem Besuch im Dynasty Karaoke Club genommen hatten. Außerdem war da noch etwas anderes, das ihr an diesem Hongkonger Besucher verdächtig vorkam.
Auch wollte sie Chen zeigen, daß sie frei war von den üblichen westlichen Vorurteilen und daß sie beide, trotz ihrer Differenzen, ein gemeinsames Ziel verfolgten. Geschichten von erzwungenen Abtreibungen waren ihr leider nicht neu. Und außerdem war ihr klar, daß er sich als chinesischer Polizeibeamter nicht gegen das System stellen konnte.
Wen hielt sich vermutlich nicht mehr in Fujian auf. Zu dieser Schlußfolgerung schienen auch die Fliegenden Äxte gelangt zu sein. Aber was konnte sie gemeinsam mit Oberinspektor Chen in Shanghai erreichen? Der hatte sich mit Gu auf die Ebene des yiqi begeben, und man konnte nur hoffen, daß das Ergebnisse bringen würde, und zwar rasch.
Sie notierte ein paar Stichpunkte auf ihrem Block, strich sie wieder durch und zerbrach sich von neuem den Kopf, als das Faxgerät eine Papierrolle ausspie. Sie kam aus Washington.
Das Anschreiben verkündete: Informationen über Chen von der CIA.
Oberinspektor Chen Cao ist ein aufstrebender Parteikader und wird im Shanghaier Präsidium als möglicher Nachfolger von Dienststellenleiter Zhao oder Parteisekretär Li gehandelt. Es heißt, daß Chen im vergangenen Jahr auch einer der Spitzenkandidaten für den Posten des Leiters der Shanghaier Propagandabehörde gewesen ist. Er war bereits als Stellvertretender Direktor der Shanghaier Verkehrsüberwachung tätig und hat an einem Seminar des Zentralen Parteiinstituts teilgenommen. Letzteres wird als unfehlbares Zeichen seiner weiteren Parteikarriere gewertet. Als einer der »liberalen Reformer« genießt Chen die Unterstützung einiger hoher Parteifunktionäre.
Beruflich gesehen hat er in letzter Zeit mehrfach politisch brisante Fälle bearbeitet, darunter im vergangenen Jahr den Mord an einer nationalen Modellarbeiterin und zuletzt einen Fall, in den der Stellvertretende Bürgermeister von Peking verwickelt war.
Chen hat in den späten 70er Jahren einen Universitätsabschluß in Anglistik gemacht, ist aber aus ungeklärten Gründen zum Polizeidienst eingeteilt worden. Chen steht als Autor auf der Einladungsliste der amerikanischen Nachrichtenagentur.
Der Junggeselle Mitte Dreißig bewohnt eine eigene Wohnung in einem guten Stadtviertel. Wie viele aufstrebende Kader tritt er mit seinem Privatleben kaum an die Öffentlichkeit, doch es heißt, der Vater seiner (Ex-?)Freundin Ling sei ein leitendes Politbüromitglied.
Catherine stopfte das Fax in ihre Kladde, dann machte sie sich eine Tasse Kaffee.
Der Mann gab ihr Rätsel auf. Der Satz über seine Beziehung zur Tochter eines Politbüromitglieds irritierte sie. Auch eines dieser Kaderkinder. Sie hatte über diese privilegierte Gruppe gelesen, die von den Verbindungen ihrer Familien profitierte und entsprechend korrupt und einflußreich war. Trafen sich die beiden noch? Darüber gaben die CIA-Daten keinen Aufschluß. Sie fragte sich, ob so eine Kadertochter eine gute Ehefrau für ihn abgeben würde. Würde er ebenfalls zu dieser privilegierten Gruppe gehören, wenn er sie heiratete?
Catherine rief sich zur Ordnung. Oberinspektor Chen war lediglich ihr zeitweiliger Partner hier in China. Die CIA hatte sich mit seinem Privatleben zu befassen, nicht sie. Die Informationen über ihn waren irrelevant; was
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