Die Frau mit dem roten Herzen
Hauptwachtmeister Yu hatte Berichte über solche unschicklichen Praktiken gelesen. Offenbar gab es in der Gegend ausreichend zahlungskräftige Kunden, nachdem immer mehr Geld aus dem Ausland in Umlauf kam.
Das erste, was er sah, als er das Dorf erreichte, war ein rotes Motorrad. Es stand vor einem weißgetünchten Haus, an dem ein Schild mit einer riesigen Badewanne darauf angebracht war. Offenbar handel te es sich um ein umgebautes Wohnhaus. Durch den Türspalt blickte er in einen steingepflasterten Hof, in dem Kohlen, Holz und Stapel von Badetüchern lagerten. Er trat ein. Ein großes, weißgekacheltes Becken nahm fast den ganzen Raum des ehemaligen Wohn- und Eßzimmers ein. An den Wänden standen Liegestühle aufgereiht. Der nächste Raum war mit einem Vorhang aus Perlschnüren abgetrennt und hieß, einem Schild über der Tür zufolge, ZIMMER ZUR EWIGEN FREUDE, ein Separee für reiche Kunden.
Er schob den Vorhang beiseite und erblickte einen Klapptisch mit mehreren Stühlen. Die Tischplatte war mit Mah-Jongg-Steinen, Teeschalen und Aschenbechern übersät. Der Zigarettenrauch, der noch in der Luft hing, ließ darauf schließen, daß das Spiel erst vor kurzem geendet hatte. Aus einem der Zimmer im oberen Stockwerk vernahm er die Stimme eines Mannes. »Wer ist da?«
Mit gezogener Pistole rannte Yu die Treppe hinauf und trat die Tür ein. Er sah genau das, was er nach Pans Schilderung erwartet hatte: einen nackten Mann in enger Umarmung mit einer nackten Frau auf einem zerwühlten Bett. Ihre Kleidung lag auf dem Boden verstreut. Die Frau versuchte, sich mit dem Bettlaken zu verhüllen, während der Mann nach etwas auf dem Nachttisch griff.
»Keine Bewegung oder ich schieße!«
Beim Anblick der Waffe zog der Mann die Hand wieder zurück. Die Frau versuchte verzweifelt, ihren Unterleib zu bedecken, worüber sie ihre schlaffen Brüste mit den dunklen, harten Nippeln und andere Teile ihres kantigen Körpers völlig vergaß. Ein Muttermal an der Seite ihres Brustkorbs ließ den Eindruck entstehen, sie hätte drei Brustwarzen.
»Ziehen Sie sich an«, sagte Yu und warf ihr ein Hemd zu.
»Wer sind Sie?« Der muskelbepackte Schrank von einem Mann mit langer Narbe über der linken Augenbraue zog sich die Hosen hoch. »Äxte fliegen vom Himmel, ich stehe im dritten Stockwerke.«
»Hören Sie auf mit Ihrem Banden-Slang. Ich bin von der Polizei, und Sie müssen Zheng Shiming sein.«
»Polizei? Ich hab Sie aber noch nie gesehen.«
»Hier steht es.« Yu zeigte ihm seinen Dienstausweis. »Zhao Youli ist mein Assistent vor Ort. Ich ermittle in einem besonderen Fall.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Mit Ihnen reden – möglichst in einem anderen Zimmer.«
»Na gut«, sagte Zheng, der allmählich die Fassung wiedergewann. Er warf der Frau einen Blick zu, bevor er das Zimmer verließ. »Kein Grund zur Sorge, Shou.«
Kaum waren sie in einem Zimmer im Erdgeschoß allein, sagte Zheng: »Ich weiß nicht, was Sie von mir wissen wollen, Wachtmeister. Ich habe doch nichts falsch gemacht.«
»Wirklich? Sie haben die vergangene Nacht mit Glücksspiel verbracht, ein Vergehen, für das Sie schon einmal hinter Gittern waren.«
»Glücksspiel? Wir haben doch nur zum Spaß gespielt.«
»Das können Sie den örtlichen Polizisten erzählen. Außerdem habe ich Sie beim illegalen Geschlechtsverkehr erwischt.«
»Also wirklich. Shou und ich sind schon seit vielen Jahren zusammen. Ich werde sie heiraten«, sagte Zheng. »Sagen Sie lieber, was Sie wirklich wollen.«
»Ich möchte, daß Sie mir erzählen, was Sie über Feng Dexiang und die Fliegenden Äxte wissen.«
»Feng ist in den Staaten. Das ist alles, was ich weiß. Und was die Fliegenden Äxte angeht, so bin ich gerade erst aus dem Knast gekommen. Ich habe mit denen nichts zu tun.«
»Sie hatten vor einigen Jahren Geschäftskontakte zu Feng. Erzählen Sie mir, wann und wo Sie ihm begegnet sind.«
»Das war vor ungefähr zwei Jahren. Wir haben uns in einem kleinen Hotel in der Stadt Fuzhou getroffen. Es ging um amerikanische Zigaretten, die per Schiff aus Taiwan eingeschmuggelt wurden.«
»Aus Taiwan eingeschmuggelt? Dann waren Sie also sein Partner in illegalen Geschäften?«
»Nur für wenige Wochen. Danach habe ich nie wieder mit ihm zu tun gehabt.«
»Was für ein Typ ist dieser Feng?«
»Eine stinkende Ratte. Von Kopf bis Fuß verdorben. Der würde Sie für eine Brotkrume verraten.«
»Eine stinkende Ratte?« Das war genau die Bezeichnung, die auch einige der
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