Die Frau mit dem roten Herzen
Dorfbewohner gebraucht hatten. »Sind Sie seiner Frau einmal begegnet?«
»Nein, aber Feng hat mir mehrmals ein Foto von ihr gezeigt. Sie war fünfzehn Jahre jünger als er, eine echte Wucht.«
»Dann hat er also ihr Foto immer dabeigehabt. Er muß sie sehr geliebt haben.«
»Das glaube ich nun wieder nicht. Er wollte bloß mit der Blüte angeben, die er gepflückt hat. Die Art, wie er von ihr sprach, war echt widerlich. Er schilderte in allen Details, wie er sie das erste Mal genommen hat, wie sie sich wehrte, schrie, blutete wie ein Schwein…«
»Was für ein Mistkerl, sich mit so was zu brüsten«, fuhr Yu dazwischen.
»Er hat auch ständig mit anderen geschlafen. Dut zende von jungen Mädchen. Zufällig kannte ich eine von ihnen, Tong Jiaqing. Die war echt mannstoll! Einmal haben es gleich mehrere auf einmal mit ihr getrieben, Feng, der Blinde Ma, der Kurze Yin und …«
»Hat er mit Ihnen über seine Auswanderungspläne gesprochen?«
»Das wußte doch jeder hier. Die meisten Männer im Dorf sind in die Staaten gegangen. Feng hat wie alle anderen herumerzählt, daß er drüben Millionär werden wird. Politisch war er hier jedenfalls am Ende.«
»Sie gehören beide zu den Fliegenden Äxten«, sagte Yu. »Da wird er doch mit Ihnen über die Arrangements seiner Reise gesprochen haben.«
»Mit solchen Geschäften habe ich nichts zu tun gehabt. Feng hat mir gegenüber bloß mal verlauten lassen, daß er enge Kontakte zu den Bossen unterhielt. Das ist alles, was ich weiß.«
»Gehörte Jia Xinzhi auch dazu?«
»Jia ist kein Mitglied unserer Organisation, eher ein Geschäftspartner; er ist für die Schiffe verantwortlich. Ich kann mich nicht erinnern, daß Feng ihn erwähnt hat. Ich sage Ihnen die Wahrheit, Wachtmeister.«
Was Zheng bislang gesagt hatte, war durchaus glaubhaft, dachte Yu. Er hatte nichts erwähnt, was die Organisation in Schwierigkeiten bringen konnte. Und was Feng anbelangte, so würden ein paar neue Einträge in seinem Sündenregister das Bild nicht wesentlich verändern. »Ich weiß, daß Sie gerade erst wieder auf freiem Fuß sind, Zheng, aber ich kann Sie schnell wieder einlochen lassen, falls Sie nicht kooperieren. Ich brauche mehr als das, was Sie mir bisher erzählt haben.«
»Ich bin sowieso ein totes Schwein. Da macht es keinen Unterschied mehr, wenn Sie mich in den Kochkessel werfen«, entgegnete Zheng ungerührt. »Bringen Sie mich doch hinter Gitter, wenn Sie können.«
Der Begriff des Banden- yiqi war Hauptwachtmeister Yu nicht neu, demnach wären wohl die meisten lieber ein gekochtes Schwein als eine verräterische Ratte. Vielleicht dachte Zheng, Yu würde nur bluffen. Was bedeutete diesen lokalen Ganoven schon ein Shanghaier Dienstausweis. Aber Yu war nicht scharf darauf, den Kollegen Zhao einzuschalten.
Die Stille wurde durch das Klappern von Shous Holzsandalen unterbrochen, und gleich darauf trat sie ein. Sie trug einen blaugestreiften Schlafanzug und ein schwarzes Lacktablett mit einer Teekanne und zwei Schälchen.
»Genosse Wachtmeister, bitte trinken Sie etwas Oolong-Tee.«
Es war erstaunlich, daß Shou sich überhaupt ins Zimmer traute. Eine andere Frau hätte schluchzend im oberen Stockwerk ausgeharrt und sich geschämt, noch einmal vor dem Polizisten zu erscheinen, der sie soeben nackt gesehen hatte. Jetzt, wo ihr Körper von dem Schlafanzug verhüllt wurde, wirkte sie vorzeigbar und durchaus seriös, nicht das frivole Frauenzimmer, das Pan ihm beschrieben hatte. Sie hatte feine Gesichtszüge, obgleich der Kummer Fältchen um ihre Augen gegraben hatte. Womöglich hatte sie an der Tür gelauscht.
»Danke.« Yu nahm sich eine Teeschale und fuhr fort. »Lassen Sie es mich so formulieren, Zheng. Haben Sie vielleicht davon gehört, was die Bande mit Feng oder seiner Frau vorhat?«
»Nein, ich habe nichts dergleichen gehört. Seit ich draußen bin, habe ich mich nach Möglichkeit bedeckt gehalten.«
»Von wegen bedeckt gehalten! Was Sie heute nacht angestellt haben, reicht, um Sie für weitere Jahre hinter Gitter zu bringen. Mah-Jongg-Spielen ist ein schwerer Verstoß gegen Ihre Bewährungsauflagen. Benutzen Sie gefälligst Ihr Schweinehirn, Zheng.«
»Zheng hat nichts Unrechtes getan«, mischte Shou sich ein. »Ich war es, die ihn gebeten hat, über Nacht zu bleiben.«
»Laß uns allein, Shou. Mit dir hat das nichts zu tun. Geh wieder in dein Zimmer.«
Als Shou mit einem langen Blick auf die beiden den Raum verließ, bemerkte Yu absichtlich: »Nette Frau. Sie
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