Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
der Aufmerksamkeit und den Nachstellungen der Polizei zu entgehen, nicht selten werden aber auch große Summen angewandt, um das Auge der Wächter des Gesetzes zu schließen. Eine Anzahl solcher Fälle sind namentlich in Paris konstatiert worden .
Deutschland genießt mit den traurigen Ruhm, Frauenmarkt für die halbe Welt zu sein. Der dem Deutschen innewohnende Drang zum Wandern scheint auch einen Teil der deutschen Frauen zu beseelen, so daß sie mehr als die Frauen anderer Völker, das österreich-ungarische ausgenommen, für die Versorgung der internationalen Prostitution ihr Kontingent stellen. Deutsche Frauen bevölkern die Harems der Türken wie die öffentlichen Häuser im Innern Sibiriens bis nach Bombay, Singapore, San Franzisko und Chicago. In seinem Reisewerk "Aus Japan nach Deutschland durch Sibirien" spricht sich der Verfasser W. Joest über den deutschen Mädchenhandel also aus: "Man ereifert sich in unserem moralischen Deutschland oft über den Sklavenhandel, den irgendein westafrikanischer Negerfürst treibt, oder über die Zustände in Kuba und Brasilien, und sollte sich lieber doch des Balkens im eigenen Auge erinnern, denn in keinem Lande wird mit weißen Sklavinnen in solcher Weise gehandelt, aus keinem Lande wird so viel dieser lebenden Ware expediert, wie gerade aus Deutschland und Österreich . Der Weg, den diese Mädchen nehmen, läßt sich ganz genau verfolgen. Von Hamburg werden dieselben nach Südamerika verschafft, Bahia, Rio de Janeiro erhält seine Quote, der größte Teil aber ist für Montevideo und Buenos Aires bestimmt, während ein kleiner Rest durch die Magelhaensstraße bis Valparaiso geht. Ein anderer Strom wird über England oder direkt nach Nordamerika dirigiert, kann aber hier nur schwer mit dem einheimischen Produkt konkurrieren, er verteilt sich daher den Mississippi hinab bis nach New Orleans und Texas oder gen Westen nach Kalifornien. Von dort aus wird die Küste bis Panama hinunter versorgt, während Kuba, Westindien und Mexiko ihren Bedarf von New Orleans beziehen. Unter dem Titel "Böhminnen" werden weitere Scharen deutscher Mädchen über die Alpen nach Italien exportiert und dann weiter südlich nach Alexandrien, Suez, Bombay, Kalkutta bis Singapore, ja, nach Hongkong bis Schanghai hin. Holländisch-Indien und Ostasien, zumal Japan, sind schlechte Märkte, da Holland in seinen Kolonien keine weißen Mädchen dieser Sorte duldet und in Japan die Töchter des Landes selbst zu hübsch und billig sind; auch verdirbt die amerikanische Konkurrenz von San Franzisko aus die günstige Konjunktur. Rußland wird von Ostpreußen, Pommern und Polen aus versorgt. Die erste Station ist meistens Riga. Hier assortieren sich die Petersburger und Moskauer Händler und schicken ihre Ware in großen Quantitäten nach Nishnij Nowgorod bis über den Ural nach Irbit und Krestowsky, ja bis in das innerste Sibirien hinein; so traf ich zum Beispiel ein deutsches, auf diese Weise verhandeltes Mädchen in Tschita. Dieser großartige Handel ist vollkommen organisiert, er wird durch Agenten und Handlungsreisende vermittelt, und wenn das Auswärtige Amt des Deutschen Reiches einmal hierüber Berichte seiner Konsuln verlangen würde, so ließen sich recht interessante statistische Tabellen feststellen. "
Dieser Handel blüht in vollem Maße, wie wiederholt durch sozialdemokratische Abgeordnete im deutschen Reichstage konstatiert wurde.
Besonders stark wird der Frauenfleischhandel von Galizien und Ungarn aus nach Konstantinopel und den übrigen Städten der Türkei betrieben. Namentlich sind es viele Jüdinnen, die man sonst selten in öffentlichen Häusern trifft, die dorthin verschachert werden. Das Geld für die Reise und die Auslagen wird dem Agenten meistens schon im voraus eingesandt. Um die Behörden zu täuschen und irrezuleiten, werden unauffällige Telegramme an den Besteller aufgegeben.
Einige solcher Depeschen lauten: " 5 Faß Ungarwein langen dann und dann in Varna an ", womit fünf sehr schöne Mädchen gemeint sind; oder " 3 Sack Kartoffeln abgeschickt per Dampfer Lloyd Minerva ". Hier handelt es sich um drei minder schöne Mädchen oder um "gewöhnliche Ware". Eine andere Depesche lautet: " Treffe am Freitag mit der Kobra ein. Habe zwei Ballen feine Seide an Bord. "
4. Das Wachstum der Prostitution. Uneheliche Mütter
Die Zahl der Prostituierten läßt sich schwer schätzen, genau gar nicht angeben. Die Polizei kann annähernd die Zahl derjenigen
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