Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
könnten? antwortete eine: Was soll man anfangen, wenn einen die Menschen alle verachten? Eine andere antwortete: Ich habe vom Krankenhaus aus um Hilfe gebeten. Eine dritte: Mein Freund hat mich dadurch ausgelöst, daß er meine Schulden bezahlte. Unter der Schuldsklaverei der Bordellwirte leiden alle. Eine teilt mit, daß sie ihrer Wirtin 700 Mark schulde. Kleider, Wäsche, Putzgegenstände, alles liefere der Wirt zu horrenden Preisen, ebenso wird ihnen Essen und Trinken zu den höchsten Preisen angerechnet. Außerdem haben sie noch einen bestimmten Satz pro Tag für Wohnung an den Wirt abzugeben. Diese Miete beläuft sich auf 6, 8, 10 Mark und mehr für den Tag; eine schreibt, sie haben ihrem Louis täglich 20 bis 25 Mark zu bezahlen. Ohne daß die Schulden bezahlt werden, entläßt sie kein Wirt; auch werden in den Aussagen allerlei Streiflichter auf das Verhalten der Polizei geworfen, die mehr auf Seite der Wirte als der hilflosen Mädchen steht. Kurz, wir haben hier mitten in der christlichen Zivilisation eine Sklaverei schlimmster Art. Und um ihre Standesinteressen besser wahren zu können, gründeten sogar die Bordellwirte ein Fachorgan , das einen internationalen Charakter trägt.
Die Zahl der Prostituierten wächst in dem Maße, wie die Zahl der Frauen wächst, die in den verschiedensten Industrie- und Gewerbezweigen als Arbeiterinnen beschäftigt und oft mit Löhnen abgefunden werden, die zum Sterben zu hoch, zum Leben zu niedrig sind. Die Prostitution wird gefördert durch die in der bürgerlichen Welt zur Notwendigkeit gewordenen industriellen Krisen, die Not und Elend in Hunderttausende von Familien tragen. Nach einem Briefe des Oberkonstablers Bolton an einen Fabrikinspektor vom 31. Oktober 1865 hatte sich während der englischen Baumwollkrise, hervorgerufen durch den nordamerikanischen Sklavenbefreiungskrieg, die Zahl der jungen Prostituierten mehr als in den letzten 25 Jahren vermehrt . Aber nicht nur fallen die Arbeiterinnen der Prostitution zum Opfer, diese findet auch in den "höheren Berufen" ihr Rekrutierungsgebiet. Lombroso und Ferrero zitieren Macé , der von Paris sagt, "daß das Gouvernantenzeugnis höheren oder niederen Grades weniger eine Anweisung auf Brot, als auf Selbstmord, Diebstahl und Prostitution ist".
Parent-Duchatelet hat seinerzeit eine Statistik aufgestellt, nach der unter 5.183 Prostituierten sich 1.441 befanden, die aus Mangel und Elend sich prostituierten, 1.255 waren eltern- und mittellos, 86 prostituierten sich, um arme Eltern, Geschwister oder Kinder zu ernähren, 1.425 waren von ihren Liebhabern verlassene Konkubinen, 404 waren von Offizieren und Soldaten verführte und nach Paris verschleppte Mädchen, 289 waren durch den Hausherrn verführte und entlassene Dienstmädchen, 280 übersiedelten nach Paris, um dort einen Broterwerb zu finden.
Mrs. Butler, die so eifrige Vorkämpferin für die Ärmsten und Elendesten ihres Geschlechts, sagt: "Zufällige Umstände, der Tod eines Vaters, einer Mutter, Arbeitslosigkeit, unzulänglicher Lohn, Elend, trügerische Versprechungen, Verführung, gestellte Netze haben sie ins Verderben geführt." Sehr lehrreich sind die Mitteilungen, die Karl Schneidt in einer Broschüre "Das Kellnerinnenelend in Berlin" über die Ursachen macht, die jene der Prostitution so häufig in die Arme führen. Auffallend sei die große Zahl der Dienstmädchen, die Kellnerinnen und das heiße fast immer Prostituierte würden. In den Antworten, die Schneidt auf seine Fragebogen an die Kellnerinnen empfing, heißt es zum Beispiel: "Weil ich von meinem Herrn ein Kind bekam und verdienen mußte." Andere geben an: "Weil mir mein Buch verdorben wurde", wieder andere: "Weil mit Hemdennähen und dergleichen zu wenig verdient wird", oder: "Weil ich als Arbeiterin, aus der Fabrik entlassen, keine Arbeit mehr bekam", oder: "Weil der Vater gestorben und noch vier kleine Geschwister da waren." Daß besonders Dienstmädchen, nachdem sie der Verführung ihrer Dienstherren zum Opfer fielen, ein großes Kontingent zu den Prostituierten stellen, ist bekannt. Über die auffällig große Zahl der Verführungen von Dienstmädchen durch ihre Dienstherren oder deren Söhne äußert sich sehr anklagend Dr. Max Taube in einer Schrift . Aber auch die höheren Klassen liefern ihr Kontingent zur Prostitution, nur ist es nicht die Not, sondern Verführung und Neigung zu einem leichtfertigen Leben, zu Putz und Vergnügungen. Darüber heißt es in einer
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