Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
behandeln sind.
2. Bodenmeliorationen
Die Gesellschaft muß den Grund und Boden als Ganzes ins Auge fassen, seine topographische Beschaffenheit, seine Berge, Ebenen, Wälder, Seen, Flüsse, Teiche, Heiden, Sümpfe, Moore und Moräste. Diese topographische Beschaffenheit übt neben der geographischen Lage, die unabänderbar ist, gewisse Einflüsse auf Klima und Bodenbeschaffenheit aus. Hier ist ein Tätigkeitsfeld von größter Ausdehnung, auf dem noch eine Menge Erfahrungen gesammelt werden können und eine Menge Experimente versucht werden müssen. Was der Staat bisher in dieser Richtung leistete, ist wenig. Einmal wendet er zu solchen Kulturaufgaben nur geringe Mittel an, und außerdem würden, selbst wenn er den Willen hätte, in umfassender Weise einzugreifen, die großen Privateigentümer, die in der Gesetzgebung das entscheidende Wort sprechen, ihn daran hindern. Ohne starke Eingriffe in das Privateigentum kann aber auf diesem Gebiet nichts erreicht werden. Aber die Existenz des Staates beruht auf der "Heiligkeitserklärung" des Privateigentums, die großen Privateigentümer sind seine wichtigsten Stützen, und so fehlt ihm die Macht, in der bezeichneten Richtung vorzugehen. Es müßten großartige und umfassende Bodenmeliorationen, Bewaldungen und Entwaldungen, Be- und Entwässerungen, Bodenmischungen, Terrainänderungen, Anpflanzungen usw. vorgenommen werden, um den Grund und Boden zu höchster Ertragsfähigkeit zu bringen.
Eine hochwichtige Angelegenheit für die Kulturverhältnisse des Grund und Bodens bildet ein umfängliches, systematisch angelegtes Fluß- und Kanalnetz, das nach wissenschaftlichen Prinzipien geleitet werden muß. Die Frage des billigeren Transportes auf den Wasserwegen – so wichtig für die heutige Gesellschaft – wäre zwar für die neue von geringer Bedeutung, dagegen sind Wasserwege als bequeme, mit geringstem Kraft- und Materialaufwand zu benutzende Transportgelegenheit sehr zu beachten. Aber die wichtigste Rolle spielt das Fluß- und Kanalsystem hinsichtlich seiner Verwertung für ein umfassendes Ent- und Bewässerungssystem, für die Herbeischaffung der Dungstoffe und der Materialien zu Bodenmeliorationen, wie für die Abfuhr der Ernten usw.
Es ist durch Erfahrung festgestellt, daß wasserarme Länder weit mehr an kalten Wintern und heißen Sommern zu leiden haben als wasserreiche, daher kennen zum Beispiel Küstenländer die eigentlichen Witterungsextreme nur ausnahmsweise. Solche Witterungsextreme sind aber weder für die Pflanzen noch für die Menschen vorteilhaft und angenehm. Ein ausgedehntes Kanalsystem, in Verbindung mit Maßregeln in bezug auf Waldkultur, würde hier unzweifelhaft günstig wirken. Ein solches Kanalsystem, verbunden mit der Anlegung größerer Bassins, als Wasseransammler und Aufbewahrer von Wassermassen, würde, wenn Tauwetter oder heftige Regengüsse Flüsse und Ströme zum Anschwellen und Übertreten bringen, von großem Vorteil sein. Die gleichen Bauanlagen wären für die Gebirgsflüsse und Gebirgsbäche notwendig. Die Überschwemmungen mit ihren verheerenden Wirkungen wären alsdann unmöglich. Ausgedehnte Wasserflächen mit ihrer stärkeren Verdunstung würden vermutlich auch regelmäßigere Regenbildung befördern. Die Anlagen dieser Art ermöglichten ferner die Anbringung von Pump- und Hebewerken zu umfassender Bewässerung der Ländereien, sobald solche nötig würden.
Weite Landstrecken, die bis jetzt fast unfruchtbar sind, ließen sich durch künstliche Bewässerungsanlagen in fruchtbare Gegenden verwandeln. Wo jetzt kaum die Schafe dürftige Nahrung finden und günstigenfalls schwindsüchtige Föhren die mageren Äste gen Himmel recken, könnten üppige Ernten gedeihen und eine dichte Bevölkerung reichliche Nahrung und Genuß finden. So ist es zum Beispiel nur eine Frage des Arbeitsaufwandes, um die weiten Sandstrecken der Mark, des "heiligen Deutschen Reiches Streusandbüchse", in ein Eden an Fruchtbarkeit zu verwandeln. Das hob auch in einem Vortrag anläßlich der deutschen landwirtschaftlichen Ausstellung zu Berlin im Frühjahr 1894 ein Vortragender hervor . Die nötigen Kanalbauten, Bewässerungsanlagen, Meliorationen, Bodenmischungen usw. vorzunehmen, vermögen aber nicht die Grundbesitzer der Mark, und so bleiben unmittelbar vor den Toren der Reichshauptstadt weite Strecken Landes in einem Kulturzustand, der späteren Generationen unbegreiflich erscheinen wird. Andererseits können durch Kanalisationen weite
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