Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
alsdann unsere Frauen ohne Ausnahme einnehmen. Intelligente und energische Frauen haben – von Ausnahmen abgesehen – in der Regel keine Neigung, einer größeren Anzahl Kinder, als einer "Schickung Gottes", das Leben zu geben und die besten Lebensjahre im Schwangerschaftszustande oder mit dem Kinde an der Brust zu verbringen. Diese Abneigung gegen zahlreiche Kinder, welche sogar schon gegenwärtig die meisten Frauen hegen, durfte sich ungeachtet aller Vorsorge, die eine sozialistische Gesellschaft den Schwangeren und Müttern widmet, eher verstärken als vermindern und liegt hierin unseres Erachtens die große Wahrscheinlichkeit, daß in der sozialistischen Gesellschaft die Bevölkerungsvermehrung langsamer als in der bürgerlichen vor sich gehen wird.
Unsere Malthusianer haben wahrlich keinen Grund, sich wegen der Vermehrung der Menschheit in Zukunft die Köpfe zu zerbrechen. Bis jetzt sind Völker wohl durch Rückgang ihrer Kopfzahl zugrunde gegangen, aber niemals durch ihre Überzahl. Schließlich vollzieht sich die Regulierung der Volkszahl in einer naturgemäß lebenden Gesellschaft ohne schädliche Enthaltsamkeit und ohne widernatürlichen Präventivverkehr. Karl Marx wird auch hier für die Zukunft recht behalten; seine Auffassung, jede ökonomische Entwicklungsperiode habe ihr besonderes Bevölkerungsgesetz, wird sich auch unter der Herrschaft des Sozialismus bewahrheiten.
In einer Schrift "Die künstliche Beschränkung der Kinderzahl" vertritt H. Ferdy die Auffassung: Die Sozialdemokratie bezwecke durch ihre Opposition gegen den Malthusianismus ein Schelmenstück. Die rasche Volksvermehrung begünstige die Massenproletarisierung und diese fördere die Unzufriedenheit. Gelänge es, der Übervölkerung Herr zu werden, dann sei es mit der Ausbreitung der Sozialdemokratie zu Ende und ihr sozialdemokratischer Staat sei mit all seiner Herrlichkeit für immer begraben. Hier haben wir zu den vielen anderen ein neues Mittel, mit dem man die Sozialdemokratie tötet, den Malthusianismus .
Unter denjenigen, die an der Furcht vor Übervölkerung leiden, und deshalb Einschränkung der Eheschließungs- und der Niederlassungsfreiheit namentlich für die Arbeiter fordern, befindet sich auch Professor Dr. Adolf Wagner. Er klagt, die Arbeiter heirateten im Vergleich zur Mittelklasse zu früh. Er wie andere mit den gleichen Ansichten übersehen nur, daß die männlichen Angehörigen der Mittelklasse erst im höheren Alter zu einer Lebensstellung gelangen, die ihnen eine standesgemäße Ehe zu schließen ermöglicht. Für diese Entsagung halten sie sich aber bei der Prostitution schadlos. Erschwert man auch den Arbeitern die Ehe, so verweist man sie auf denselben Weg. Man klage dann aber auch nicht über die Konsequenzen und schreie nicht über "den Verfall von Sitte und Moral". Auch empöre man sich nicht, wenn Männer und Frauen, da letztere die gleichen Triebe haben wie die Männer, in illegitimen Verbindungen leben, um ihren Naturtrieb zu befriedigen und Scharen unehelicher Kinder "als Gesäte" Stadt und Land bevölkern. Die Ansichten der Wagner und Genossen widersprechen aber auch den Interessen der Bourgeoisie und unserer wirtschaftlichen Entwicklung, die möglichst zahlreiche Hände nötig hat, um Arbeitskräfte zu besitzen, die sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig machen. Mit kleinlichen, der kurzsichtigsten Philisterei und Rückwärtserei entsprungenen Vorschlägen heilt man nicht die Übel der Zeit. Keine Klasse, keine Staatsgewalt ist am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mehr stark genug, die natürliche Entwicklung der Gesellschaft zurückhalten oder eindämmen zu können. Jeder Versuch endet mit einem Mißerfolg. Der Strom der Entwicklung ist so stark, daß er jedes Hindernis überrennt. Nicht rückwärts, sondern vorwärts heißt die Losung und ein Geprellter ist, wer noch an Hemmung glaubt.
Die Menschheit wird in der sozialistischen Gesellschaft, in der sie erst wirklich frei und auf ihre natürliche Basis gestellt ist, ihre Entwicklung mit Bewußtsein lenken. In allen bisherigen Epochen handelte sie in bezug auf Produktion und Verteilung wie auf Bevölkerungsvermehrung ohne Kenntnis ihrer Gesetze, also unbewußt; in der neuen Gesellschaft wird sie mit Kenntnis der Gesetze ihrer eigenen Entwicklung bewußt und planmäßig handeln .
Der Sozialismus ist die auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit angewandte Wissenschaft .
Schluß
Unsere Darlegungen zeigen, daß es sich
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